Nordkorea versorgt Putin in der Ukraine mit modernen Raketen
Das Wichtigste in Kürze
- Russland setzt im Ukraine-Krieg vermehrt auf Raketen aus nordkoreanischer Produktion.
- Das Kriegsgerät ist günstig und kann in grossen Mengen abgefeuert werden – eine Bedrohung.
- Trotz UN-Sanktionen sind die Raketen mit modernen westlichen Computerchips bestückt.
- Dies habe Auswirkungen: Nordkorea gewinne viel Einfluss im China-Iran-Russland-Block.
Am 2. Januar erhielt Khrystyna Kimachuk, eine junge ukrainische Waffeninspektorin, die Nachricht über einen ungewöhnlichen Raketenabsturz in der Stadt Charkiw. Sie kontaktierte sofort ihre Verbindungen im ukrainischen Militär und konnte innerhalb einer Woche das zerstörte Wrack in Augenschein nehmen.
Wie die BBC berichtet, begann Kimachuk mit der detaillierten Untersuchung des Trümmerhaufens und fotografierte jedes einzelne Teil. Sie dokumentierte Schrauben bis hin zu winzigen Computerchips. Schnell wurde ihr klar: Es handelt sich nicht um eine russische Rakete.
Inmitten des Metallschrotts entdeckte sie dann einen Beweis für ihre Vermutung: ein kleines Zeichen aus dem koreanischen Alphabet und eine noch aussagekräftigere Zahl «112». Diese war auf Teile der Hülle gestempelt – 112 entspricht dem Jahr 2023 im nordkoreanischen Kalender.
Mit modernster Technologie vollgestopft
Kimachuk arbeitet für die Organisation Conflict Armament Research (CAR), die Waffen aus Kriegsgebieten untersucht. Doch erst nach der Analyse der Hunderten von Komponenten des Wracks kam die schockierendste Erkenntnis: Die Rakete war vollgestopft mit modernster Technologie – hauptsächlich in den USA und Europa hergestellt.
Damien Spleeters, stellvertretender Direktor bei CAR, ist besorgt, wie er gegenüber der BBC einräumt: «Trotz zwei Jahrzehnten strenger Sanktionen schafft es Nordkorea immer noch, alles zu bekommen, was es zur Herstellung seiner Waffen braucht.»
Nordkorea profitiert von Waffenverkäufen
Nordkorea hat seit den 1980er-Jahren seine Waffen ins Ausland verkauft – hauptsächlich altbackenes Gerät mit Technologien aus der Sowjetzeit. Hauptsächlich an Länder in Nordafrika und dem Nahen Osten.
Anders das moderne Raketenwrack aus Charkiw – die am 2. Januar abgefeuerte Rakete war anscheinend Pjöngjangs ausgeklügelteste Kurzstreckenrakete: die «Hwasong 11» – mit einer Reichweite von bis zu 700 Kilometern. Gemäss Experten soll dieses Kriegsgerät russischen Raketen in nichts nachstehen.
Die Vorteile dieser Raketen sind ihre geringen Kosten, was bedeutet, dass man mehr kaufen und abfeuern kann. Damit können die Luftabwehrkapazitäten der Ukraine überwältigt werden – genau das scheinen die Russen zu versuchen.
Dies wirft die Frage auf, wie viele dieser Raketen Nordkorea produzieren kann. Viele der Computerchips, die für moderne Waffen unerlässlich sind, werden in atemberaubenden Mengen weltweit verkauft. Die Hersteller haben oft keine Ahnung, wo ihre Produkte landen.
Zusammenbruch der UN-Sanktionen gegen Nordkorea?
Auch Joseph Byrne vom Verteidigungsforschungsinstitut Royal United Services Institute (RUSI) zeigt sich gegenüber BBC besorgt: «Wir erleben gerade den Zusammenbruch der UN-Sanktionen gegen Nordkorea in Echtzeit.» Das verschaffe Pjöngjang viel Spielraum.
Im März dokumentierte RUSI, dass grosse Mengen Öl von Russland nach Nordkorea verschifft wurden. Gleichzeitig wurden Eisenbahnwaggons, die vermutlich mit Reis und Mehl gefüllt waren, beim Überqueren der Landgrenze zwischen den beiden Ländern gesichtet. Dieses Geschäft, dessen Wert auf Hunderte von Millionen geschätzt wird, wird nicht nur Pjöngjangs Wirtschaft, sondern auch sein Militär stärken.
Glauben Sie, dass der Ukraine-Krieg bald endet?
Dies habe Auswirkungen weit über den Krieg in der Ukraine hinaus: «Die wirklichen Gewinner hier sind die Nordkoreaner», sagte Byrne. Sie hätten sich mit ihrer Hilfe für die Russen eine Menge Einfluss erkauft.
Mehr noch: Der Krieg bietet Nordkorea ein Schaufenster für den Rest der Welt. Wenn diese Waffen gut genug für Russland sind, dann sind sie auch gut genug für andere Länder. Insbesondere da die Russen das Beispiel geben, dass es in Ordnung ist, Sanktionen zu verletzen.