In Ankara ist es zu einem Anschlag auf das Luftfahrtzentrum gekommen. Man macht die kurdische Arbeiterpartei PKK verantwortlich. Nützt dies Präsident Erdogan?
Terroranschlag Ankara Erdogan
Überwachungsaufnahmen zeigen die Terroristen auf dem Gelände des Luftfahrtzentrums in der türkischen Hauptstadt Ankara. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Am Mittwoch ist ein Anschlag auf das Luftfahrtzentrum in Ankara verübt worden.
  • Die türkische Regierung macht die kurdische Arbeiterpartei PKK dafür verantwortlich.
  • Ein Experte meint, die PKK sei möglicherweise gespalten.
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In der türkischen Hauptstadt Ankara wurde am Mittwochnachmittag ein Anschlag verübt. Es kam zu Explosionen und einer Schiesserei auf dem Gelände des Luftfahrtzentrums. Fünf Menschen wurden getötet, 22 verletzt.

Der türkische Innenminister Ali Yerlikaya gab bekannt, es seien zwei «Terroristen neutralisiert» worden. Der Anschlag trage die Handschrift der kurdischen Arbeiterpartei PKK.

PKK als Drahtzieherin des Anschlags?

Einer der getöteten Attentäter wurde mittlerweile nach offiziellen Angaben als Mitglied der PKK identifiziert. Ob die anderen Angreifer Mitglieder der kurdischen Arbeiterpartei waren, ist noch nicht überliefert. Auch fehlt nach wie vor ein Bekenntnis der PKK zum Anschlag.

Ein Video zeigt die Explosion auf dem Gelände des Rüstungsunternehmens. - X

Trotzdem greift die Türkei seit dem Anschlag «PKK-Ziele» an. Darunter Ziele im Nordirak und in Syrien. Dabei seien laut Verteidigungsminister Yasar Güler zahlreiche «Terroristen neutralisiert» worden.

Dem widersprechen die Syrischen Demokratischen Kräfte, die von Kurdenmilizen angeführt werden. Es sei zivile Infrastruktur angegriffen worden. Die Organisation wird von der EU, den USA und der Türkei als Terrororganisation eingestuft.

Anschlag nach Entspannung zwischen Türkei und Kurden

Das Attentat geschah, nachdem in den Tagen zuvor eine Entspannung in Sicht war. Devlet Bahçeli, der rechtsextreme Bündnispartner des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, hatte der kurdischen Arbeiterpartei die Hand gereicht.

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Nun also ein Anschlag auf militärisch wichtige Infrastruktur in der türkischen Hauptstadt. Was bedeutet das für die Macht des Präsidenten? Nützt ihm das sogar politisch?

Die Signalwirkung des Anschlags treffe die Regierung, und damit auch Erdogan, auf mehreren Ebenen, erklärt Mittelost-Experte Ali Sonay bei Nau.ch.

Recep Tayyip Erdogan
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. - keystone

Denn: Zum einen gilt das getroffene Luft- und Raumfahrtunternehmen als Vorzeigeprojekt. «Es handelt sich dabei um einen Industriebereich, der in den letzten Jahren stark gewachsen ist.»

Sonay weiter: «Gleichzeitig versucht die Regierung aus AKP und ihrem nationalistischen Bündnispartner, der MHP, einen neuen Dialog zu initiieren. Dies, um den Konflikt mit der PKK zu beenden.»

Anschlag könnte Konfliktlösung beeinträchtigen

Das habe sowohl innenpolitische als auch aussenpolitische Motive, so der Türkei-Experte. «Auf innenpolitischer Ebene bräuchte die Regierung weitere Stimmenanteile im Parlament, um eine neue Verfassung auszuarbeiten.»

Es seien die Stimmen der pro-kurdischen Partei DEM, die dabei entscheidend sein könnten. Ausserdem werde diskutiert, ob die aktuell gesetzlich unmögliche Wiederwahl von Erdogan durch eine neue Verfassung ermöglicht werden könnte. Heisst: Für den Präsidenten sind pro-kurdische Stimmen also wichtig.

Ali Sonay
Dr. Ali Sonay, Assistenzdozent im Fachbereich Mittlerer Osten und muslimische Gesellschaften an der Universität Bern. - islamwissenschaft.unibe.ch

Wie sich der Anschlag genau auf die Macht von Präsident Erdogan auswirke, müsse weiter beobachtet werden. Aber, so Sonay: «Die öffentliche Zustimmung für eine Konfliktlösung mit der PKK könnte abnehmen.»

Ist die PKK gespalten?

Wenn es Dialogbemühungen zwischen der Türkei und den Kurden gibt, wie ist der Anschlag in Ankara zu erklären? Türkei-Experte Sonay meint dazu, es sei denkbar, dass sich die PKK intern nicht einig sei.

«In der Tat hat es in den letzten Tagen immer wieder Konfliktlösungs-Aufrufe gegeben. Dies sowohl aus der Regierung, der pro-kurdischen DEM und der grössten Oppositionspartei.»

Alle hätten bekräftigt, dass man den Konflikt um die Kurdinnen und Kurden in der Türkei lösen wolle, sagt der Experte.

Anschlag Ankara
Schockierte Angehörige vor dem Luftfahrtzentrum in Ankara. Auf dem Gelände wurde am Mittwochnachmittag ein Anschlag verübt.
Anschlag Ankara
Der türkische Innenminister sieht die PKK als Drahtzieherin des Anschlags. Mittlerweile ist auch klar, dass mindestens ein getöteter Angreifer PKK-Mitglied war.
Ankara Anschlag
Dies, nachdem eine Entspannung der türkisch-kurdischen Beziehungen in Sicht war (hier ein Bild von Mutter und Sohn vor dem Luftfahrtzentrum in Ankara).
Anschlag Ankara
Wie es nun mit dem Dialog zwischen PKK und der türkischen Regierung weitergehe, sei unklar, sagt der Experte.

Die Debatten zum Thema gehen in der Türkei laut Sonay in folgende Richtung: «Kreise innerhalb der PKK sprechen sich weiterhin für einen bewaffneten Kampf aus.» Da diese Kreise den Dialog nicht unterstützen würden, sei es denkbar, dass der Anschlag als Dialogverhinderung gedacht sei.

Sonay: «Insgesamt sind die Entwicklungen jedoch ganz neu und müssen in den kommenden Tagen weiterhin verfolgt werden.»

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