Oberstes Gericht hebt Schmidheiny-Urteil im Asbest-Prozess auf
Das oberste italienische Gericht hat das Urteil wegen fahrlässiger Tötung gegen den Schweizer Industriellen Stephan Schmidheiny im Asbest-Prozess aufgehoben.

Das Kassationsgericht in Italien hat am Freitag die Verurteilung des Schweizer Industriellen Stephan Schmidheiny erneut aufgehoben. Laut SRF ging es in dem Prozess um den Vorwurf der fahrlässigen Tötung eines Ex-Mitarbeiters einer Eternit-Fabrik in Cavagnolo (IT).
Der Mann war 2008 mit 82 Jahren gestorben, nachdem er laut Anklage 27 Jahre lang Asbest ausgesetzt gewesen war. Das Gericht hob die Verurteilung wegen Mangels an Beweisen bereits zum zweiten Mal auf.
Ein drittes Verfahren dürfte kaum möglich sein, da der Fall im April definitiv verjährt. Dies argumentierte die Verteidigung, wie «SRF» weiter berichtet.
Richtungsweisendes Urteil?
Das Urteil könnte weitreichende Folgen für andere Eternit-Prozesse haben. Ezio Bonanni, Vorsitzender der Nationalen Asbestbeobachtungsstelle und Anwalt der Familie des Opfers, äusserte Bedenken.

Ein Turiner Gericht hatte Schmidheiny in diesem Verfahren ursprünglich zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Nach der Kassation dieses Schuldspruchs hatte das Turiner Appellationsgericht das Strafmass im Dezember 2024 reduziert.
Die Strafe wurde auf eine bedingte Haftstrafe von einem Jahr und acht Monaten herabgesetzt. Nun wurde das Urteil vollständig annulliert, wie das SRF berichtet.
Wie viel Verantwortung trug Schmidheiny?
Die Anklage wirft Schmidheiny vor, Sicherheitsvorkehrungen in der Eternit-Fabrik vernachlässigt zu haben. Dies habe zur tödlichen Asbestexposition von Arbeitern geführt, so die «Handelszeitung».

Die Verteidigung argumentierte stets, dass Schmidheiny keine operative Verantwortung für die Werke trug. Zudem habe er frühzeitig den Ausstieg aus der Asbestproduktion eingeleitet.
In Italien wurden laut «SRF» mehrere Prozesse zu Asbest-Todesfällen in ehemaligen Eternit-Werken geführt. Der Fall Cavagnolo ist Teil einer Serie von Verfahren gegen Schmidheiny und das dritte Urteil, das aufgehoben wurde.
Tausende Tote durch Asbest
Eternit war jahrzehntelang ein führender Hersteller von Baumaterialien auf Basis von Asbest. Der Stoff galt als günstig und feuerfest, birgt jedoch erhebliche Gesundheitsrisiken.
Wissenschaftler bewiesen bereits in den 1960er-Jahren, dass Asbest Lungenkrebs und Mesotheliome verursachen kann. In Italien starben Tausende Menschen an den Folgen der Asbestexposition, wie das SRF berichtet.
Italien verfolgt andere Verjährungsregelung als die Schweiz, dort beginnt die Verjährung erst mit Ausbruch der Krankheit oder Tod des Opfers. Dies ermöglichte es, Jahrzehnte nach der Schliessung der Werke noch Klagen einzureichen.
Schmidheiny wiederholt verurteilt
Die Prozesse gegen Stephan Schmidheiny begannen 2009 in Turin und führten zu mehreren Schuldsprüchen. 2012 wurde er erstmals wegen eines «Umweltdesasters» verurteilt.
Spätere Urteile wurden jedoch aus formalen Gründen oder wegen Verjährung aufgehoben, wie «SRF» berichtet. Im aktuellen Fall argumentierte die Verteidigung erneut, dass Schmidheiny keine direkte Verantwortung für den Betrieb der Werke trug.
Das Gericht folgte dieser Argumentation und hob das Urteil auf, wie die «Handelszeitung» schreibt. Die Entscheidung sorgt bei Opferverbänden für Empörung.
Industriellenspross mit nachhaltigem Anspruch
Stephan Schmidheiny ist Spross der vierten Generation einer Ostschweizer Industriellenfamilie. Diese baute ein weltweites Imperium von Eternit-Werken auf, in denen auch Asbest verarbeitet wurde.

Er übernahm 1976 als 28-Jähriger die Führung der Eternit SEG und sass in Verwaltungsräten grosser Unternehmen wie ABB und Nestlé. Sein Vermögen wird auf rund 2 Milliarden Franken geschätzt.
Er wurde mit Ehrendoktorwürden und dem Philanthropy Award ausgezeichnet. Heute lebt er zurückgezogen und veröffentlicht Bücher zu nachhaltiger Entwicklung. IT