Oppositionelle Kaftancioglu der CHP zu fast 5 Jahren Haft verurteilt
Die Politikerin Canan Kaftancioglu von der Oppositionspartei CHP wurde vom Obersten Berufungsgericht der Türkei verurteilt.
Das Wichtigste in Kürze
- Kaftancioglu soll laut Urteil vier Jahre, elf Monate und 20 Tage hinter Gitter.
- Sie ist die Chefin der Oppositionspartei CHP in der Provinz Istanbul.
- Die CHP ist die zweitgrösste Partei im türkischen Parlament.
Die Oppositionspolitikerin Canan Kaftancioglu wird mit einer langen Haft bestraft, wie das Oberste Berufungsgericht der Türkei bestätigt. Der Verurteilung der Politikerin der Oppositionspartei Cumhuriyet Halk Partisi (CHP) habe das Gericht in drei Anklagepunkten zugestimmt. Demnach soll sie rund vier Jahre, elf Monate und 20 Tage hinter Gitter verbringen. Am Donnerstag berichtete dies ein Parteivertreter der Nachrichtenagentur AFP.
Kaftancioglu, CHP-Chefin in der Provinz Istanbul, war 2019 wegen einer Reihe von Vorwürfen zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Sie soll unter anderem «Terror-Propaganda» verbreitet und Präsident Recep Tayyip Erdogan beleidigt haben. Die Vorwürfe bezogen sich in erster Linie auf Einträge im Online-Dienst Twitter in den Jahren 2012 bis 2017.
Die heute 50-Jährige hatte unter anderem den Tod eines 14-Jährigen durch eine Tränengas-Granate bei den regierungskritischen Gezi-Park-Protesten in 2013 kritisiert. Zuletzt befand sich die gelernte Ärztin in Erwartung der Entscheidung des Berufungsgerichts auf freiem Fuss. Ob sie nun unverzüglich ins Gefängnis muss, war zunächst unklar.
Zweitgrösste Partei im Parlament
Die CHP ist die zweitgrösste Partei im türkischen Parlament. Kaftancioglu hatte eine zentrale Rolle beim Wahlsieg der Partei bei der Bürgermeisterwahl in Istanbul in 2019 gespielt. Die Wahl des CHP-Politikers Ekrem Imamoglu war eine empfindliche Niederlage für Erdogan und dessen AKP. Beobachter gehen davon aus, dass der Staatschef sich nun auf diesem Wege räche.
Aktivisten und internationale Organisationen werfen Erdogan regelmässig vor, die Justiz als politisches Werkzeug zu instrumentalisieren. Insbesondere seitdem nach dem gescheiterten Putschversuch in 2016 tausende Richter abgesetzt wurden. «Erdogan verstärkt die Unterdrückung, während er vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Drucks im Land an Rückhalt verliert.» Dies erklärte Seren Selvin Korkmaz vom Think Tank IstanPol Institute.
Urteil ist «Skandal»
Aussenpolitiker der SPD-Bundestagsfraktion kritisierten die Gerichtsentscheidung gegen Kaftancioglu umgehend als «politisch motiviert» und als «Skandal». «Das Urteil belegt einmal mehr, wie verheerend es um die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei steht», erklärte sie.
Ende April war bereits der Oppositionelle Osman Kavala zu lebenslanger Haft verurteilt worden, was international ebenfalls scharf kritisiert wurde. Der Geschäftsmann soll durch Finanzierung der Gezi-Park-Proteste und Beteiligung am Putsch 2016 den Sturz der Regierung geplant haben.