Paketboom: Wie lange hält der Kaufrausch im Netz noch an?

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Deutschland,

Weil immer mehr online gekauft wird, ist der Paketberg weiter gewachsen. Die Deutschen verliessen sich gerade in der Corona-Krise noch stärker auf die Zusteller. Dieses Jahr könnte anders werden.

Noch hält der Paketboom in Deutschland an. Doch Händler rechnen nach den ersten beiden Corona-Jahren mit einer Rückkehr zur Normalität.
Noch hält der Paketboom in Deutschland an. Doch Händler rechnen nach den ersten beiden Corona-Jahren mit einer Rückkehr zur Normalität. - Jens Kalaene/dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Kleidung, Möbel, Computer - wenn Läden zeitweise schliessen müssen, bleibt nur der Online-Kauf.

Das weiss kaum jemand besser als Paketboten. Sie brachten im vergangenen Jahr die Rekordmenge von 4,5 Milliarden Paketen an die Haustüren, 11,2 Prozent mehr als im Vorjahr, wie der Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK) ermittelt hat. Die 270.000 Branachenbeschäftigten hatten alle Hände voll zu tun. Die Arbeit wird wohl nicht weniger werden.

Was treibt den Boom?

Der Online-Handel und die Privathaushalte. Seit Jahren kaufen immer mehr Menschen im Netz. Corona brachte noch einen Wachstums-Turbo. Die jährliche BIEK-Markstudie zeigt: Schliessen Geschäfte, schiessen die Sendungszahlen in die Höhe. Innerdeutsch gehen inzwischen 71 Prozent der Sendungen an Privathaushalte. Vor zehn Jahren waren es noch 50 Prozent.

Was bestellen die Leute?

Bei Büchern, Computern, Elektro- und Haushaltsgeräten ist inzwischen für eine Mehrheit klar: Kaufe ich eher im Internet. Das ergab die Postbank-Digitalstudie 2022. Bei jedem Zweiten gilt das demnach auch für Bekleidung und Schuhe, bei jedem Dritten auch für Möbel und Einrichtung. Bei den unter 40 Jährigen sind es teils mehr. Jeder Zehnte von Ihnen gibt an, auch Lebensmittel eher online zu kaufen. Sie kommen aber oft auch über Fahrradkuriere von Lieferdiensten.

Denken Online-Käufer nicht ans Klima?

Nicht alle. So versucht nur etwa jeder Zehnte, Online-Käufe aus ökologischen Gründen zurückzufahren oder ganz darauf zu verzichten, wie eine Umfrage der Postbank ergab. Gut jeder Vierte bestellt demnach auch Ware, bei der von vornherein klar ist, dass sie zurückgeschickt wird - etwa um verschiedene Kleidergrössen zu Hause anprobieren zu können.

Viele versuchen aber, Bestellungen zu bündeln und achten auf möglichst wenig oder nachhaltiges Verpackungsmaterial. Denn der Verpackungsberg wächst. Heute werden mehr als die Hälfte mehr Pappkartons verbraucht als vor 30 Jahren, wie das Deutsche Verpackungsinstitut jüngst berechnet hat. Alle Bemühungen um schlankere Verpackungen liefen ins Leere, weil mehr gekauft werde.

Welche Rolle spielen Retouren?

Je nach Segment eine grosse. Bei Modehändlern wie etwa Zalando geht etwa jeder zweite Artikel wieder zurück. Einige Modehändler verlangen nun Geld für Rücksendungen. Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (BEVH) sieht aber keinen dauerhaften Abschied von der kostenlosen Retoure. «Der Wettbewerb um die Kunden im Internet ist knallhart.» Für die Öko-Bilanz sind Retouren ein Faktor - gescheiterte Zustellversuche sind ein weiterer.

Gibt es klimafreundlichere Lösungen?

«Versuchen sie, den ersten Zustellversuch zum Erfolg zu bringen, das ist nachhaltig», rät Marten Bosselmann, der Vorsitzende des Bundesverband Paket und Expresslogistik. Langfristig wollen die Dienste aber erreichen, dass die Empfänger ihre Pakete mehr in Paketshops abholen. DPD hat kürzlich einen eigenen Laden in Berlin eröffnet. «Das ist die Zukunft», meint Bosselmann. Parallel wird an mehr elektrischen Fahrzeugen und Lastenrädern gearbeitet. Versuche, grosse Pakettransporte vom Lkw auf Züge zu verlagern, fruchteten bislang nicht merklich.

Online kaufen oder im Laden? Der grössere Klima-Hebel für Verbraucher liegt laut Umweltbundesamt woanders - Handel und Transport machten nur zehn Prozent der Treibhausgase aus. Der Rest entstehe in der Herstellung. Das Umweltbundesamt rät daher zu langlebigen Produkten, die umweltfreundlich hergestellt sind - und dazu, diese bestenfalls im Geschäft um die Ecke abzuholen, mit dem Fahrrad oder zu Fuss.

Werden Pakete teurer?

Davon ist auszugehen. Schon 2021 gab es Erhöhungen, stieg der durchschnittliche Erlös je Sendung um knapp drei Prozent auf 5,97 Euro. Auf den Paketdiensten lasten hohe Preise, etwa für Strom und Diesel. Dieses Jahr steigt ausserdem der Mindestlohn auf zwölf Euro je Stunde. Mit Blick auf die Paketerlöse sagt Klaus Esser, Autor der BIEK-Markstudie: «Da ist noch Luft nach oben.»

Wer verdient am Boom?

Handel und Paketdienste haben in der Corona-Krise üppige Gewinne gemacht. Der Marktführer Deutsche Post/DHL, der 2021 rund 1,8 Milliarden Pakete transportierte, verzeichnete das grösste Plus seiner Geschichte. Versandhändler wie Otto legten beim Gewinn deutlich zu.

Wie geht es den Paketboten?

Da gehen die Darstellungen auseinander. Verdi kritisiert weiter, dass ein Teil der Paketboten prekär beschäftigt sei. Die Gewerkschaft prangert auch Ausbeutung an, etwa in Subfirmen. Der Branchenverband betont dagegen, man biete jedem eine Chance zu fairen Bedingungen.

Knapp 11.000 neue Mitarbeiter wurden vergangenes Jahr eingestellt, 50.000 weitere werden in den nächsten fünf Jahren gesucht. Das Personal wächst damit nicht so stark wie die Paketmenge. Grössere Fahrzeuge, bessere Navigation und neue Sortieranlagen in Umschlagzentren sollen deshalb die Effizienz steigern.

Geht das immer so weiter?

Erstmal wohl nicht. Modehändler Zalando etwa spürt schon, dass die Warenkörbe kleiner werden. Das sei die Rückkehr zur Normalität nach dem Corona-Boom. Speziell seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs achten die Kunden stärker aufs Geld, hat der Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel Deutschland bemerkt. Deutlich weniger gefragt waren etwa Heimwerker- und Bastelbedarf, Blumen, Auto- und Motorradzubehör, Computer und andere Elektroartikel.

DHL transportierte im ersten Quartal ein Fünftel weniger Pakete als während der starken Corona-Beschränkungen in den ersten drei Monaten 2021. «Eine Seitwärtsbewegung halte ich für realistisch», sagt Studienautor Esser. Für die folgenden Jahre zeigt die Verbandsprognose aber wieder eine stetige Wachstumskurve.

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