Geldautomatensprengungen nehmen weiter zu

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Deutschland,

Trotz mancher Fahndungserfolge nimmt die Zahl der Geldautomatensprengungen in Niedersachsen und Deutschland weiter zu. Kriminalitätsexperten sehen die Banken in der Pflicht, mehr Vorsorge zu treffen.

Kripobeamte sichern nach der Sprengung eines Geldautomaten Spuren. Angesichts steigender Zahlen von Geldautomatensprengungen fordert der Osnabrücker Polizeipräsident Michael Massmann bessere Schutzmassnahmen. Foto: Thomas Frey/dpa
Kripobeamte sichern nach der Sprengung eines Geldautomaten Spuren. Angesichts steigender Zahlen von Geldautomatensprengungen fordert der Osnabrücker Polizeipräsident Michael Massmann bessere Schutzmassnahmen. Foto: Thomas Frey/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Sie kommen meist in der Nacht mit schnellen Wagen angefahren.

Innerhalb von Minuten haben die Täter einen Geldautomaten gesprengt, richten riesigen Schaden an und gefährden andere Menschen.

Ebenso schnell wie sie gekommen sind, sind sie auch wieder weggefahren. Allein die Beute bei Geldautomatensprengungen lag in Deutschland im vergangenen Jahr nach einer Statistik des Bundeskriminalamtes bei 17,1 Millionen Euro, 12,5 Prozent mehr als noch 2019.

«Automatensprenger aus den Niederlanden sind eine grosse Bedrohung für das gesamte westliche Europa», sagt Michael Will, Leiter der Abteilung Eigentumskriminalität bei Europol. Zwei Drittel der Täter kommen aus den Niederlanden. Es handelt sich meist um junge Männer, lose Netzwerke, keine Familienbanden, sondern ethnische Gruppen, die sich von klein auf kennen. «Es ist schwer, diese Gruppen zu infiltrieren, schwer, Informationen aus diesen Gruppen heraus zu bekommen», berichtet Will. Etwa 500 Personen ist die Tätergruppe nach Schätzungen von Europol gross.

Kürzlich gelang der Osnabrücker Polizei ein grosser Schlag gegen die Geldautomatensprenger. Zusammen mit niederländischen Ermittlern wurden im Raum Amsterdam, Utrecht und Den Haag Durchsuchungen vorgenommen. Dabei kamen neun Tatverdächtige in Untersuchungshaft und 23 mutmassliche Täter wurden ermittelt. Drei Tatverdächtige sollen nach Deutschland ausgeliefert werden, sie will die Staatsanwaltschaft Osnabrück vor Gericht bringen.

«Das sind Täter ohne jeden Skrupel», sagt der Osnabrücker Polizeipräsident Michael Massmann. Das zeige schon, dass sie inzwischen nicht mehr mit Gas sprengen, wie vor einigen Jahren noch, sondern auch Sprengstoff nehmen. Damit gefährden sie auch Unbeteiligte, die im selben Haus wohnen, wo der Geldautomat installiert ist, oder auch benachbarte Gebäude.

Auch bei den Fluchtfahrten nehmen die Täter keine Rücksicht. Oft genug brausen sie mit Tempo 280 über die Autobahn davon, ohne Licht. Allein schon zum Schutz der Beamten selbst und von Unbeteiligten komme eine Verfolgungsfahrt unter solchen Umständen nur selten in Betracht, sagt Massmann. Die Täter nehmen auch Tote unter ihren eigenen Leuten in Kauf - in Meppen ist ein Mann bereits bei einem Unfall in der Innenstadt gestorben.

Inzwischen sind die Tatorte nicht nur im grenznahen Bereich zu den Niederlanden, sondern bundes- und europaweit, sagt Will. Das hänge damit zusammen, dass vor einigen Jahren die Niederlande ihre Präventionsmassnahmen verbessert haben. So habe sich im Nachbarland die Zahl der Geldautomaten verringert. Der Zugang zu den Geräten wurde erschwert, aussen hängende Automaten finde man kaum noch. Und auch die Geldsumme in den Automaten wurde geringer, sagt Will. «Warum soll ich in den Niederlanden einen Automaten mit 20 000 Euro sprengen, wenn ich in Deutschland bis zu 500 000 Euro erbeuten kann?»

Zwar haben die Banken in Deutschland in den vergangenen Jahren schon einiges getan, um ihre Automaten sicherer zu machen, erklärt eine Sprecherin der Deutschen Kreditwirtschaft. Das reiche von der Schliessung besonders gefährdeter Automaten in der Nacht über die Aufschaltung von Einbruchsmeldungen bis zum Einsatz von Anti-Gas- und Vernebelungssystemen. Allein: Die Zahlen steigen. Laut BKA wurden im vergangenen Jahr 414 Fälle registriert, 18,6 Prozent mehr als noch 2019 - ein Höchstwert seit Beginn der statistischen Erfassung im Jahr 2005.

Aus Sicht von Will und Massmann könnten die Banken noch mehr tun, um die Sprengungen zu vermeiden. «Solange der wirtschaftliche Schaden nicht zu hoch ist, nehmen die Banken sie durchaus in Kauf», sagt Will. In den Niederlanden sei es der Regierung gelungen, die Banken zu den strikteren Präventionsmassnahmen zu bringen. Allerdings gibt es im Nachbarland nur eine Handvoll Grossbanken und Bargeld sei längst nicht mehr so verbreitet wie in Deutschland.

Die Kreditwirtschaftsverbände weisen den Vorwurf zurück, kein grosses Interesse an wirksameren Präventionsmassnahmen zu haben. Die Branche arbeite mit Polizei, der Versicherungswirtschaft und den Herstellern zusammen, um Empfehlungen zu den Sicherungsmassnahmen zu geben. «Der wirtschaftliche Schaden ist zwar abgedeckt, jedoch steigen im Fall der Fälle die Versicherungsprämien», sagt die Sprecherin. Aber auch die Banken und Sparkassen sehen, dass die Geldautomatensprengungen eine Gefahr für Unbeteiligte und auch die eigenen Mitarbeiter sind.

Aus Sicht der Polizei sind die Präventionsmassnahmen der Banken noch nicht gut genug. «Mir wäre sehr viel wohler, wenn der Gesetzgeber Regelungen einführen würde, die die Standards von Geldautomaten klarer definieren», sagt der Osnabrücker Polizeipräsident Massmann. Das sieht auch sein Dienstherr, Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) so. Die Sicherheitsstandards in Deutschland müssten angehoben werden - entweder freiwillig oder auf gesetzlicher Basis.

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