Rackete warnt: «KZ-ähnliche Zustände in Libyen, EU finanziert mit»

Benedikt Theiler
Benedikt Theiler

Italien,

In Libyen stecken Menschen in Flüchtlingsunterkünften fest. Ihnen müsse sofort bei einer sicheren Überfahrt nach Europa geholfen werden, sagt Carola Rackete.

Libyen Seenotrettung im Mittelmeer
Carola Rackete aus Kiel, deutsche Kapitänin der «Sea-Watch 3», aufgenommen an Bord des Rettungschiffs. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Gegen Carola Rackete wird wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung ermittelt.
  • Sie selber spricht von «KZ-ähnlichen» Zuständen in libyschen Auffanglagern.
  • Europa stehe in der Verantwortung rund eine halbe Million Menschen rauszuholen.

Seit Wochen steht Carola Rackete in den Schlagzeilen. Die deutsche Sea-Watch-Kapitänin gilt als Herausforderin des italienischen Innenministers Matteo Salvini. Dies, seitdem sie mit ihrem Schiff mit Migranten an Bord unerlaubt in einem italienischen Hafen angelegt hat.

Gegen die 31-Jährige aus Niedersachsen wird in Italien wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung ermittelt. Sie selbst hat Salvini angeklagt – wegen Verleumdung.

«Ich finde, man darf sich nicht alles gefallen lassen», meint Rackete in einem heute veröffentlichten Interview der «Bild»-Zeitung. Er habe Unwahrheiten verbreitet. Diese in den sozialen Netzwerken verbreiteten Aussagen soll Salvini löschen müssen.

«KZ-ähnliche Zustände» in Libyen

Dass sie die Migranten nicht nach Libyen zurückgeführt, sondern an den Hafen von Lampedusa gebracht habe, habe einen triftigen Grund: Libyen sei kein sicherer Hafen. «Die Menschen werden in Libyen in Gefängnissen gehalten.»

Seenotrettung im Mittelmeer Libyen
Die von der Seenotrettungsorganisation Sea-Eye herausgegebene Aufnahme zeigt Flüchtlinge aus Libyen an Bord des Seenotrettungsschiffs «Alan Kurdi» während ein Boot der italienischen Guardia di Finanza vorbei fährt. - dpa

Die EU bezahle eine libysche Küstenwache, die in den ganzen Menschenhandel verwickelt sei. «Sie bringen die Flüchtlinge dann in Lager, in denen KZ-ähnliche Zustände herrschen», so Rackete. Und die EU finanziere das Ganze mit, um die Flüchtlinge zurückzuhalten.

Die Menschen, die in Libyen feststecken, müssten «dort sofort raus in ein sicheres Land!» Es handle sich um etwa eine halbe Million Menschen, die in Händen von Schleppern oder in libyschen Flüchtlingslagern stecken. «Ihnen müssen wir sofort helfen bei einer sicheren Überfahrt nach Europa.»

Europa habe historische Verantwortung

Dabei habe Europa die historische Verantwortung, Flüchtlinge aufzunehmen. Einerseits wegen der Kolonialzeit, welche noch heute die Machtverhältnisse der Fluchtländer bestimmen würden. Andererseits durch den Zusammenbruch des Klimasystems. Dies sorge für «Klima-Flüchtlinge, die wir natürlich aufnehmen müssen».

In der Debatte werde zwischen Flüchtlingen und Wirtschaftsmigranten unterscheidet. «Aber wir kommen jetzt zu einem Punkt, wo es ‹forced migration› gibt. Also eine durch äussere Umstände wie Klima gezwungene Migration.

Man habe darum heute keine Wahl mehr, um einfach zu sagen, dass man die Menschen nicht wolle. Es sei auch «Europas Verantwortung».

dürre in Somalia
Dürre verursacht Hungersnot in Somalia. - Keystone

Dass durch die Seenotrettung die Menschen erst zur Flucht motiviert werden, lässt Rackete zudem nicht gelten. In den Statistiken gäbe es keine Belege dafür. «Die einzigen Zahlen, die klar sind, belegen: Es sterben mehr Menschen, wenn es weniger Rettungsboote auf dem Mittelmeer gibt.»

ARD-Team wehrt sich gegen Falschmeldungen

Interessant: Die ganze Mission der «Sea Watch 3» wurde durch ein Reporter-Team der deutschen «ARD» begleitet. Die Reportage lässt hinter die Schlagzeilen in den Medien blicken.

Doch «ARD» muss sich nach der Ausstrahlung der Dokumentation gegen Falschmeldungen wehren. Etwa, dass «Sea Watch» durch den öffentlichen Sender finanziert worden sei.

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