Recep Tayyip Erdogan: In einem Monat wählt die Türkei
Die Türkei wählt erstmals am 24. Juni ihren Staatschef und das Parlament gleichzeitig. Recep Tayyip Erdogan geht als Favorit ins Rennen. Schafft er es aber nicht im ersten Durchgang, könnte es bei einer Stichwahl doch noch knapp werden.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Türkei wählt am 24. Juni in vorgezogenen Wahlen ihren Präsidenten.
- Gleichzeitig wird auch das Parlament gewählt.
- Recep Tayyip Erdogan geht als Favorit ins Rennen.
Eigentlich hätte laut Referendumstext erstmals im November 2019 die Wahl stattfinden sollen. Doch mit einem «Bubentrickli» hat Erdogan die Wahl vor verschoben – dies aus gutem Grund.
Seine Wahlchancen sinken
Noch vor vier Jahren war die Wahl Erdogans zum Präsidenten eine klare Sache. Im ersten Wahlgang erreichte er das absolute Mehr. Doch durch den Militärputsch 2016 und das Verfassungsreferendum ist das Land in kürzester Zeit in unruhiges Fahrwasser geraten. Und es sieht so aus, als steuert das Land auf die nächste Krise zu.
Wahl könnte knapp werden
Damit er am 24. Juni auch weiterhin Präsident bleibt, zählt Erdogan auch auf die Auslandtürken. Knapp drei Millionen stimmberechtigte Türken leben im Ausland – rund fünf Prozent der Wählerstimmen. Sie halfen Erdogan schon 2017 beim Verfassungsreferendum. So stimmten in Deutschland über 60 Prozent der Auslandtürken für die Reform, in Österreich, Belgien und den Niederlanden gar über 70 Prozent.
Es ist das erste Mal, dass die Türken nach der Annahme des Verfassungsreferendums im letzten Jahr ihre Stimme abgeben. Und erstmals in der Geschichte des Landes wird in einem Monat Staatschef und Parlament gleichzeitig gewählt. Der Thron-Favorit steht fest: Recep Tayyip Erdogan.
Es erstaunt also nicht, ist Erdogan bereits auf Wahlkampf im Ausland. Am Sonntag war er zu Besuch in Bosnien-Herzigowina und unterzeichnete eine Absichtserklärung: Die Türkei wird die Autobahn zwischen Sarajevo und Belgrad (Ser) finanzieren. Viele Deutschtürken reisten für den einzigen Wahlkampfauftritt Erdogans im europäischen Ausland extra mit dem Car an. In anderen europäischen Ländern wurden Wahlkampfauftritte türkischer Politiker verboten.
Türkei zahlt Autobahn in Bosnien
Kommt Erdogan am 24. Juni nicht auf eine absolute Mehrheit, kommt es zu einer Stichwahl. Dann könnte das Rennen um das Amt doch noch spannend werden. Laut einer Umfrage kämen der CHP-Politiker Muharrem Ince und die Iyi-Partei-Politikerin Meral Aksener auf je rund 20 Prozent, und auch der inhaftierte, kurdische HDP-Politiker Selahattin Demirtas komme auf rund 10 Prozent. Zwar startet die türkische Opposition mit verschiedenen Kandidaten ins Rennen, jedoch herrscht der Konsens unter ihnen, dass bei einer Stichwahl der Herausforderer Erdogans unterstützt werde.
Die Türkische Lira ist im Sinkflug, die Wirtschaft serbelt, der Tourismus ist am Boden und seine Soldaten stecken mitten im Syrienkrieg. Längerfristig wird der starke Mann am Bosporus so seine Wählerschaft verlieren. Vorgezogene Wahlen kommen ihm darum gelegen. Noch ist seine Wiederwahl so gut wie sicher.
Nun geht bereits das Gerücht um, dass für die kommenden Wahlen bereits 350 Millionen Wahlzettel gedruckt worden seien – und dies bei knapp 56 Millionen wahlberechtigten Türken.
Ein Sieg eines Oppositionspolitikers wäre aber trotzdem ein riesen Coup – ist es schliesslich Erdogan, der die Regeln der Wahlen diktiert. Sozusagen Spieler und Schiedsrichter gleichzeitig. Schon beim äusserst knapp angenommenen Verfassungsreferendum (51,41 Prozent) liess die türkische Wahlkommission während der laufenden Abstimmung erklären, dass nun plötzlich auch von ihr nicht verifizierte Stimmzettel zugelassen seien. Normalerweise müssten sie von der Kommission gestempelt sein, um sicherzustellen, dass keine zusätzlichen Stimmzettel im Umlauf sind.