Russische Pässe für Ostukrainer werden für den Kreml teuer
Das Wichtigste in Kürze
- Russland lässt sich die Integration von Bürgern aus der Ostukraine Milliarden Rubel kosten.
Kremlchef Wladimir Putin sprach in Peking von bis zu 100 Milliarden Rubel (umgerechnet 1,3 Milliarden Euro), die notwendig seien, um Sozialleistungen an neue Staatsbürger auszuzahlen.
Für den russischen Haushalt sei das keine «ernsthafte Belastung». Vor wenigen Tagen hatte der Kremlchef ein Dekret unterschrieben, wonach die Menschen in dem Kriegsgebiet einfacher einen russischen Pass bekommen sollen.
Putin sagte der Agentur Tass zufolge, die Russen müssten nun nicht um eigene Sozialleistungen und Renten fürchten. «Es gibt keinen Zweifel: Alle sozialen Verpflichtungen werden erfüllt.» Er bezeichnete Vorwürfe als «Horrorgeschichten», wonach der Haushalt Russlands zu sehr belastet werden könnte. «Wir haben alles vorher berechnet.» Es werde keine ernsthafte Belastung geben, die zu Störungen im russischen Sozialsystem führen könnten, versicherte er.
Dem Dekret zufolge sollen Ukrainer mit ständigem Wohnsitz in «einzelnen Kreisen» der Gebiete von Donezk und Luhansk in einem «vereinfachten Verfahren» russische Staatsbürger werden. In beiden Regionen leben nach Angaben der lokalen Behörden mehr als 3,5 Millionen Menschen. Damit baut Russland seinen Einfluss in dem Gebiet weiter aus.
Dieser Schritt war von der Führung der Ukraine, aber auch von der EU und den USA scharf kritisiert worden. Putin rechtfertigte sein Vorgehen mit Sorge um Menschenrechte in den Separatistengebieten. Kiew hatte klargestellt: Man werde die Bewohner in den Gebieten weiter als ukrainische Staatsbürger betrachten.
Putin deutete nach einem Gipfel in China an, dass diese Regelung auf die gesamte Ex-Sowjetrepublik ausgeweitet werden könnte. «Wir denken darüber nach, unsere Staatsbürgerschaft den Einwohnern der Ukraine in vereinfachter Form zu geben», sagte er, ohne konkret zu werden. Viele Ukrainer arbeiten in Russland und zahlen dort ihre Steuern.
Die Entscheidung Putins folgte unmittelbar auf die Präsidentenwahl in der Ukraine, bei der sich vor gut einer Woche Wolodymyr Selenskyj deutlich gegen Amtsinhaber Petro Poroschenko durchgesetzt hatte. Beide kritisierten das Vorgehen Moskaus. Seit 2014 sind infolge der Kämpfe zwischen Regierungstruppen und den von Moskau unterstützten Rebellen nach UN-Schätzungen rund 13 000 Menschen getötet worden.
In Kiew befürchtet man dadurch ein Einfrieren des Konflikts ähnlich wie im moldauischen Transnistrien. In dem 1990 von Moldau abgespaltenen Gebiet hat der Grossteil der Einwohner ebenfalls die russische Staatsbürgerschaft. Bei einer Eskalation des Konflikts könnte der Kreml gemäss seiner Doktrin direkt die russische Armee unter dem Vorwand des Schutzes der eigenen Staatsbürger einsetzen - ähnlich wie im georgischen Südossetien im August 2008.
Nur einen Tag nach dem Dekret hatte das Parlament in Kiew beschlossen, die fast überall im Land gesprochene russische Sprache per Gesetz aus dem Alltag zu verdrängen. Die Sprachfrage gilt von jeher als ein zentraler Auslöser des Ukraine-Kriegs.