Russland-Eskalation: Womit müssen Verbraucher nun rechnen?
Steigende Energiekosten sind schon jetzt eine Belastung für viele Haushalte. Macht die Zuspitzung des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine Gas unbezahlbar? Auf Verbraucher und Industrie kommen Belastungen zu.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine eskaliert und Deutschlands Verbraucher blicken besorgt gen Osten.
Denn was sich dort abspielt, hat Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft und könnte die ohnehin schon hohen Energiepreise weiter anheizen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagte: «Ich nehme an, wir werden jetzt kurzfristig ein Ansteigen der Gaspreise erleben, mittelfristig hoffe ich, dass sich der Markt schnell wieder beruhigt.»
Gerät die Erholung der Wirtschaft von der Pandemie ins Stocken? Ausgeschlossen ist das nach Einschätzung von Volkswirten nicht. «Denn die Angst vor einem Krieg in Europa liegt in der Luft - mit möglicherweise deutlichen Auswirkungen unter anderem auf die Energieversorgung und die Energiepreise», so formuliert es die Chefvolkswirtin der Förderbank KfW, Fritzi Köhler-Geib.
Geht Verbrauchern in Deutschland bald das Gas aus?
«Europa ist von russischem Gas abhängig. Die EU bezieht knapp die Hälfte des Bedarfs aus Russland. Diese Gaslieferungen können nicht vollständig kompensiert werden», analysiert der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. Das trifft Industrie wie Verbraucher. Der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, rechnet nicht mit einer Rationierung der privaten Haushalte bei der Gasversorgung. «Die Gaspreise werden aber höher sein als sie es ohne eine Verschärfung der Krise gewesen wären», prognostiziert Fuest.
Wie haben Deutschland und Europa für mögliche Engpässe vorgesorgt?
Mit Erdgasspeichern sollen Schwankungen beim Gasverbrauch ausgeglichen werden. Dem Branchenverband INES zufolge gibt es 47 Untertagespeicher in Deutschland. Sollte Russland den Gashahn zudrehen, könnten die Westeuropäer nach Einschätzung von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer «wohl noch bis zum Herbst durchhalten, weil noch 30 Milliarden Kubikmeter auf Lager sind, mehr Flüssiggas importiert würde und der Verbrauch im Sommerhalbjahr ohnehin vergleichsweise niedrig ist». Während des Sommers müssten die Vorräte dann aber aufgefüllt werden.
Tobias Federico vom Beratungsunternehmen Energy Brainpool sagt, die Gasspeicher seien voller als zuletzt erwartet: «Wir dachten, dass sie bei einem kalten Winter Mitte oder Ende Februar leer sein würden. Jetzt haben wir eigentlich noch genug.» Laut Arbeitsgemeinschaft der europäischen Gasspeicherunternehmen lag der der deutschen Gasspeicher am Sonntag bei 31 Prozent. Die Hoffnung auf baldige Gaslieferungen aus Russland durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 hat sich zerschlagen: Die Bundesregierung stoppte am Montag vorerst das Genehmigungsverfahren.
Droht ein allgemeiner Preisschub?
«Es ist zu erwarten, dass die Preise für Öl und Gas weiter ansteigen», sagt Ifo-Präsident Fuest. Bundeswirtschaftsminister Habeck machte nach einem Treffen mit NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) in Düsseldorf deutlich, es könnte kurzfristig ein Ansteigen der Gaspreise geben. Märkte seien «spekulationsanfällig». Wenn die Zukunft ungewisser sei, sei zu befürchten, dass die Preise nach oben gehen. Die weitere Entwicklung hänge auch davon ab, wie sich das Angebot entwickle. Da der Winter langsam «hoffentlich» zu Ende gehe, könne es bei einer sinkenden Nachfrage nach Gas insgesamt und einem grösseren Angebot auf den Weltmärkten auch zu Entlastungseffekten kommen.
Zugleich sagte Habeck, Deutschland sei «versorgungssicher». Langfristig werde Deutschland grosse Anstrengungen unternehmen, dass der Gaspreis insgesamt nicht mehr auf dem jetzigen Niveau sei und die deutschen Verbraucher wie die Unternehmen belaste. Das Ziel: Deutschland soll durch einen schnelleren Ausbau des Ökostroms aus Wind und Sonne unabhängiger von fossilen Energieträgern wie russischem Erdgas werden.
In den vergangenen Monaten hat sich für Verbraucher Tanken und Heizen schon sprunghaft verteuert. Getrieben von weltweiter Nachfrage kletterten die Energiepreise und mit ihnen die allgemeine Teuerung. 5,1 Prozent Inflation im Euroraum im Januar war der höchste Wert seit der Euro-Einführung. In Deutschland hielt sich die Teuerung mit 4,9 Prozent auf hohem Niveau.
Eine höhere schwächt die Kaufkraft der Verbraucher - ein Ende der Preisspirale ist vorerst nicht in Sicht. Im Januar lagen die Erzeugerpreise für gewerbliche Produkte in Deutschland um 25 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Für Konsumenten könnten viele Produkte also noch teurer werden, weil Unternehmen auf höhere Einkaufspreise etwa für Rohstoffe mit einem Preisaufschlag reagieren.
Kann die Geldpolitik gegensteuern?
Da die Inflation sich hartnäckiger hält als erwartet, sind Europas Währungshüter unter Zugzwang. Ökonomen erwarten, dass die Europäische Zentralbank (EZB) bei ihrer nächsten Sitzung am 10. März die Weichen für einen Ausstieg aus der seit Jahren ultralockeren Geldpolitik stellen wird. Doch der eskalierende Konflikt zwischen Russland und der Ukraine ist eine zusätzliche Bürde für die Wirtschaft in Europa, die sich gerade von den Belastungen der Corona-Pandemie erholt. Daher werden die Währungshüter ihre Schritte noch sorgsamer abwägen.