UN-Seegericht fordert von Russland Freilassung ukrainischer Matrosen
24 ukrainische Seeleute sitzen seit Monaten in einem Moskauer Gefängnis. Im Streit darüber zeichnet sich zwischen Moskau und Kiew keine Entspannung ab.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Internationale Seegerichtshof will den Streit zwischen Moskau und Kiew entschärfen.
- Als erste Massnahme müsse Russland die festgenommenen 24 Matrosen freilassen.
Ein halbes Jahr nach der Gewaltaktion gegen ukrainische Schiffe im Schwarzen Meer will der Internationale Seegerichtshof in Hamburg mit einem Urteil den Streit zwischen Moskau und Kiew entschärfen. Als erste Massnahme müsse Russland die im vergangenen November festgenommenen 24 Matrosen freilassen, urteilte Richter Jin-Hyun Paik am Samstag in Hamburg.
Ebenso müsse Russland drei beschlagnahmte Schiffe an die Ukraine zurückgeben. Dass Moskau diese Anordnung sofort umsetzen wird, ist jedoch unwahrscheinlich. Russland boykottiert das Verfahren, weil es die Zuständigkeit des Gerichts in diesem Fall anzweifelt.
Von russischer Küstenwache gewaltsam gestoppt
Die Matrosen waren im vergangenen Jahr beim Versuch, aus dem Schwarzen Meer ins Asowsche Meer zu gelangen, von der russischen Küstenwache gewaltsam gestoppt und festgesetzt worden. Die Männer sitzen seitdem in der russischen Hauptstadt in Untersuchungshaft. Ihnen drohen bei einem Prozess in Russland bis zu sechs Jahre Haft.
Hintergrund des Streits ist auch die komplizierte Lage nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim im Jahr 2014. Sowohl die Ukraine als auch Russland nutzen das Binnengewässer. Russland betrachtet die Meerenge von Kertsch aber als sein Hoheitsgebiet, auch wenn ein Vertrag von 2003 der Ukraine freie Durchfahrt garantiert.
Deswegen will Moskau die Seeleute wegen Verletzung der Staatsgrenze vor Gericht bringen. Kiew sieht die Festgenommenen jedoch als Kriegsgefangene an. Gleichzeitig gibt es aber in der Ukraine Stimmen, dass der damals amtierende Präsident Petro Poroschenko den Zwischenfall absichtlich provoziert und somit die Festnahme der Männer riskiert habe.
Moskau will nicht an Verfahren teilnehmen
Eine Freilassung durch Moskau könnte ein wichtiges Signal zur Entspannung der zerrütteten Beziehungen zwischen beiden Ländern sein, schrieb der neue ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf Facebook. So könne Russland zeigen, ob es ernsthaft an einer Lösung des Konflikts mit dem Nachbarland interessiert sei. «Mal sehen, welchen Weg der Kreml wählen wird», schrieb er weiter. Selenskyj hatte nach seinem Wahlsieg im April angekündigt, seine wichtigste Aufgabe sei es, die Seeleute aus russischer Haft zu befreien.
Das russische Aussenministerium betonte unmittelbar nach der Urteilsverkündung, dass Moskau weiter nicht an dem Verfahren teilnehmen wolle. Grund sei, dass militärische Aktivitäten durch Schiffe und Flugzeuge der Regierung nach der UN-Seerechtskonvention nicht unter die Zuständigkeit des Seegerichtshofes fielen, hiess es.
Laut Gericht militärische Aktion
Das Gericht, das über die Einhaltung der Konvention wacht, sieht dies nicht so: Es handle sich bei dem Zwischenfall nicht um eine militärische Aktion, sagte der Richter. Ebenso sei die Gewaltanwendung durch die russischen Behörden eher als Rechtsdurchsetzung zu sehen und nicht als militärische Aktion.
Beide Seiten sollten deshalb keine zusätzlichen Massnahmen veranlassen, um die extrem angespannte Situation weiter zu verschärfen, hiess es. Russland sei verpflichtet, den Forderungen nachzukommen. Bis 25. Juni müssten die Ukraine und Russland den Richtern in Hamburg einen Bericht darüber zukommen lassen.