Scholz zu irregulärer Migration: «Die Zahlen müssen runter»
Bundeskanzler Olaf Scholz hält Grenzkontrollen für sinnvoll zur Begrenzung irregulärer Migration.
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hält Grenzkontrollen für eine sinnvolle Massnahme zur Begrenzung der irregulären Migration nach Deutschland. «Generell ist es unsere Absicht, die deutschen Grenzen weiterhin strikt zu kontrollieren», sagte der SPD-Politiker der «Saarbrücker Zeitung». «Wir wollen die irreguläre Migration begrenzen, das habe ich angekündigt. Die Zahlen müssen runter.»
Zwar sei Erwerbsmigration nötig und auch erwünscht. «Aber es gibt zu viele, die irregulär zu uns kommen und angeben, Schutz vor Verfolgung zu suchen, aber keine Asylgründe angeben können und dann abgelehnt werden», fügte Scholz hinzu. Er verwies auch auf bestehende Kontrollen wie etwa an der Grenze zu Frankreich während der Olympischen Spiele. Diese sollen bis zum 30. September gelten.
AfD will «lückenlosen» Grenzschutz
Für die Landgrenzen zu Österreich, der Schweiz, Tschechien und Polen hat die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) im vergangenen Oktober stationäre Kontrollen angeordnet und bei der EU-Kommission angemeldet. Diese laufen weiter, um irreguläre Migration zu begrenzen und Schleusungskriminalität zu bekämpfen. Befristet sind sie für die Schweiz, Tschechien und Polen derzeit bis zum 15. Dezember, für Österreich, wo schon seit Herbst 2015 kontrolliert wird, bis zum 11. November.
Der Vorsitzenden der AfD-Bundestagsfraktion, Alice Weidel, reicht das alles nicht aus. Die Co-Vorsitzende der Rechtspopulisten sagte: «Wir brauchen auch abseits der Hauptverkehrswege einen effektiven und lückenlosen Schutz unserer Grenzen, den Abbau von Anreizen zur illegalen Einwanderung sowie eine Abschiebeoffensive, die nicht nur durch Ankündigungen, sondern durch Zahlen von sich reden macht.»
CDU/CSU hält mehr Zurückweisungen für möglich und nötig
Skeptische Töne kommen von den Christdemokraten, die – auch mit Blick auf den Personalaufwand für die Bundespolizei – aber eine andere Strategie vorschlagen. «Wir werden ganz genau beobachten, was die wolkigen Worte des Bundeskanzlers zu den Grenzkontrollen wert sind», sagte die stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende, Andrea Lindholz, der Deutschen Presse-Agentur.
Die CDU/CSU sei überzeugt, dass Deutschland längerfristig für alle Grenzabschnitte Kontrollen bei der EU-Kommission anmelden sollte. Denn nur dann könne die Bundespolizei direkt an der Grenze tätig werden und dort auch Zurückweisungen vornehmen. Frankreich praktiziere das schliesslich schon länger, ohne dass daran der Schengen-Raum zerbrochen wäre. «Das heisst ja nicht, dass rund um die Uhr an jedem Grenzübergang in voller Mannstärke kontrolliert wird und werden muss», erklärte die CSU-Politikerin.
Eigentlich sollten im Schengen-Raum, dem die meisten EU-Länder, aber auch Nicht-EU-Länder wie die Schweiz angehören, keine Grenzkontrollen stattfinden. Wegen der angespannten Migrationslage kontrollieren aber inzwischen mehrere Länder an einigen ihrer Schengen-Binnengrenzen.
Über 6400 Zurückweisungen binnen sechs Wochen
Während der Fussball-EM war an allen deutschen Grenzen kontrolliert worden. Wie das Bundespolizeipräsidium in Potsdam mitteilte, wurden während im Zeitraum vom 7. Juni bis zum 19. Juli dabei insgesamt 9172 unerlaubte Einreisen festgestellt. Von diesen Einreisenden ohne Erlaubnis seien 6401 Menschen zurückgewiesen worden, hiess es. Die Polizei nahm den Angaben zufolge ausserdem 275 mutmassliche Schleuser vorläufig fest.
Im ersten Halbjahr dieses Jahres haben in Deutschland 121'416 Menschen erstmals einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gestellt, rund 19 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine werden aktuell noch gemäss der EU-Massenzustromrichtlinie aufgenommen. Sie müssen keinen Asylantrag stellen.
Nach Einschätzung von Experten haben die zusätzlichen Grenzkontrollen mit dafür gesorgt, dass seit dem Herbst etwas weniger Schutzsuchende nach Deutschland kommen. Ein weiterer Faktor sind wohl Grenzschutzmassnahmen anderer Staaten, etwa entlang der sogenannten Balkanroute. Zurückgewiesen werden aktuell praktisch nur Menschen, die mit einer Wiedereinreisesperre belegt sind oder kein Asylbegehren äussern.