«Knüppel zwischen die Beine»: Kritik an Biontech-Deckel

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Deutschland,

Die Booster-Impfungen nehmen Fahrt auf. Doch der Plan des Gesundheitsministeriums, Grenzen für Biontech-Bestellungen festzulegen, damit mehr Moderna verimpft wird, könnte wie eine Bremse wirken, befürchten Kritiker.

Statt des Vakzins von Biontch/Pfizer soll vermehrt das Präparat von Moderna bei den Auffrischungsimpfungen zum Einsatz kommen. Foto: Marijan Murat/dpa
Statt des Vakzins von Biontch/Pfizer soll vermehrt das Präparat von Moderna bei den Auffrischungsimpfungen zum Einsatz kommen. Foto: Marijan Murat/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Kritik an Plänen des Gesundheitsministeriums, Bestellobergrenzen für Biontech-Impfstoff festzulegen, wird immer lauter.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) warf dem Ministerium in der «Bild am Sonntag» vor, «Brocken in das Impfgetriebe» zu werfen, und forderte eine Rücknahme der Pläne. Auch andere Bundesländer und Ärztevertreter wehren sich dagegen, zumal der ohne Bestellgrenze verfügbare Impfstoff von Moderna für Menschen unter 30 Jahren in Deutschland nicht mehr empfohlen wird. Die Booster-Impfungen nehmen inzwischen Fahrt auf, es wird befürchtet, dass die Biontech-Deckelung das ausbremsen könnte.

Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn verteidigte die Entscheidung: «Ich kann's deswegen nicht zurückziehen, weil es einfach 'ne Frage der verfügbaren Menge ist», sagte der CDU-Politiker am Sonntagabend in der ZDF-Sendung «Berlin direkt». «Wir halten da nichts zurück. Ich kann ja keinen Impfstoff ausliefern von Biontech, der nicht da ist.» Die Nachfrage sei wahnsinnig gestiegen in den letzten zwei Wochen.

Das Bundesgesundheitsministerium hatte in einem Schreiben an die Länder für die nächsten Wochen Begrenzungen bei Bestellmengen für den Biontech-Impfstoff angekündigt. Dafür soll vermehrt das Präparat von Moderna bei den Auffrischungsimpfungen zum Einsatz kommen. In dem Schreiben war zur Begründung angeführt worden, dass andernfalls eingelagerte Moderna-Dosen zu verfallen drohten.

Praxen sollen demnach vorerst maximal 30 Dosen Biontech pro Woche bestellen können, Impfzentren und mobile Impfteams 1020 Dosen. Für Bestellungen von Moderna soll es keine Höchstgrenzen geben. Bis Jahresende gebe es mit insgesamt rund 24 Millionen Dosen von Biontech und 26 Millionen von Moderna genug Impfstoff für alle.

Bei der Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) soll an diesem Montag über die Biontech-Bestellgrenzen gesprochen werden, wie der bayerische Gesundheitsminister und GMK-Vorsitzende Klaus Holetschek (CSU) ankündigte. Man werde dabei mit dem Bund beraten, «wie das von Bundesminister Spahn ausgelöste Chaos beseitigt werden kann», sagte Niedersachsens Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD).

Ärztevertreter üben scharfe Kritik und verweisen auf viele praktische Probleme, die die Entscheidung mit sich bringen könnte. Befürchtet wird, dass Menschen, die schon Auffrischungsimpfungen mit Biontech vereinbart haben, zögern könnten, wenn ihnen Moderna angeboten wird, und dass in den Praxen durch viele Nachfragen und Umbuchungen deutliche Mehrarbeit entsteht. Moderna wird ausserdem nur für Menschen ab 30 und nicht für Schwangere empfohlen.

Haus- und Fachärzte erhöhten ihre Kapazitäten, man steuere in der nächsten Woche auf einen Impfrekord zu, sagte Stephan Hofmeister vom Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). «Da ist es fatal, wenn uns das Bundesgesundheitsministerium Knüppel zwischen die Beine wirft.» Kassenärztliche Vereinigungen in den Bundesländern reagierten ebenfalls mit scharfen Worten und sprachen von «massiver Behinderung», «Fehlorganisation» und sogar «Sabotage» der Impfkampagne.

«Ich weiss, dass diese kurzfristige Umstellung für viele engagierte Helferinnen und Helfer vor Ort in den Arztpraxen und Impfzentren viel zusätzlichen Stress bedeutet. Und das bedauere ich ausdrücklich», sagte Spahn der Deutschen Presse-Agentur am Samstag. Durch die stark gestiegene Nachfrage nach Biontech leere sich das Lager sehr schnell. Aus einer Übersicht des Ministeriums geht zudem hervor, dass Deutschland in diesem Monat voraussichtlich fast 8,8 Millionen Dosen Biontech über die Initiative Covax an Drittstaaten spenden wird oder gespendet hat.

Spahn betonte, mit Biontech und Moderna gebe es zwei exzellente und hoch wirksame Impfstoffe. «Ich kann versprechen, dass jeder, der sich impfen lassen will, einen guten, sicheren und wirksamen Impfstoff bekommt.» In manchen Studien zur Wirkung von Auffrischungsimpfungen schneide eine dritte Impfung mit Moderna sogar besser ab als eine mit Biontech.

Studien zeigen, dass der Schutz vor einer Infektion mit Sars-CoV-2 bei Geimpften mit der Zeit nachlässt. Biontech-Gründer Ugur Sahin sagte der «Bild am Sonntag»: «Wichtig ist die Tatsache, dass die dritte Impfung den Schutz wieder anhebt. Entsprechend erwarten wir, dass er länger anhält als der Schutz nach der Doppelimpfung und nachfolgende Auffrischimpfungen vielleicht nur jedes Jahr - ähnlich wie bei Influenza - gebraucht werden.»

Das Tempo bei den Auffrischungsimpfungen zieht nach Angaben Spahns an. In der abgelaufenen Woche seien 1,7 Millionen Bürger «geboostert» worden, twitterte er am Wochenende. Bislang seien damit 5,6 Millionen Auffrischungsimpfungen erfolgt. Bis zum Jahresende sollen es 20 bis 25 Millionen sein.

Eine Impfpflicht, wie in Österreich angekündigt, wird nach Ansicht des Tourismusbeauftragten der geschäftsführenden Bundesregierung, Thomas Bareiss, auch in Deutschland «früher oder später nicht vermeidbar» sein. «Es war in der Rückschau betrachtet falsch, das nicht gleich von Anfang an zu sehen. Die damalige Hoffnung ist nachvollziehbar, aber war nicht realistisch», sagte der CDU-Politiker der dpa. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte ebenfalls gesagt, er glaube, man werde am Ende um eine Impfpflicht nicht herumkommen.

Vertreter von SPD, FDP und Grünen äussern sich bisher ablehnend. Einer Umfrage im Auftrag der «Bild am Sonntag» zufolge würden 52 Prozent der Deutschen eine generelle Impfpflicht begrüssen. Dagegen sprachen sich 42 Prozent aus. Sieben Prozent machten keine Angabe oder antworteten mit «Weiss nicht».

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