Selenskyj: Merkels Russlandpolitik «führt nicht zum Ziel»
Kurz vor dem Treffen von Bundeskanzlerin Merkel mit Russlands Präsidenten Putin hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mehr Unterstützung von Deutschland gefordert.
Das Wichtigste in Kürze
- Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Bundeskanzlerin Angela Merkel eine nicht zielführende Russlandpolitik vorgehalten und um Hilfe bei der Ausstattung der ukrainischen Marine gebeten.
Vor Merkels Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau machte Selenskyj zudem in einem Interview der Funke-Mediengruppe deutlich, dass er noch auf ein Scheitern des deutsch-russischen Gasleitungsprojekts Nord Stream 2 hofft. Merkel wird nach ihrem Besuch bei Putin am Sonntag Selenskyj in Kiew treffen.
Putin sei «irrational» und, wenn es um die Ukraine gehe, «manchmal sogar hoch emotional», sagte der ukrainische Präsident. Er warf Russland Vorstösse vor, «das Schwarze Meer und das Asowsche Meer zu blockieren». Von Deutschland erwarte Kiew technische Partnerschaft. «Deutschland sollte uns etwa dabei helfen, die ukrainische Marine auszustatten», sagte Selenskyj. Kiew habe die Forderungen des Grünen-Co-Chefs Robert Habeck, (defensive) «Waffen an die Ukraine zu liefern, sehr begrüsst». Er fügte hinzu: «Wir sind ein bisschen traurig, dass wir von den Regierungsparteien in Deutschland nicht die gleiche Unterstützung bekommen.» Ukrainischen Medien hatte Selenskyj zuvor erklärt, er wolle bis 2035 eine «professionelle, mächtige» Flotte aufbauen, die «jedem eine Abfuhr» erteilen könne.
Der Kanzlerin sei «an einem gesunden - ja, sogar herzlichen - Dialog mit Russland gelegen», konstatierte Selenskyj. «Merkel will zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Aber die Fliegen bewegen sich immer weiter auseinander - die Entfernung zwischen ihnen wächst. Das führt nicht zum Ziel.»
Nord Stream 2 bezeichnete er als «eine Waffe», die Moskau nutzen könne, um das Gasangebot zu verknappen und die Preise hochzutreiben. Doch «selbst wenn die Pipeline fertiggebaut ist, gibt es noch ein grosses Fragezeichen, ob sie auch in Betrieb gehen kann», sagte Selenskyj. Die Inbetriebnahme nach der Fertigstellung brauche Zeit. «Internationales Recht muss befolgt, internationale Energie-Standards müssen eingehalten werden», sagte er. «Wir werden die Zeit nutzen, um unsere eigenen Interessen zu verteidigen.» Das Thema stehe bei seinem Treffen mit US-Präsident Joe Biden am 30. August in Washington ganz oben auf der Agenda. «Unsere Chancen, dass das Projekt doch nicht zum Zuge kommt, liegen bei 30 bis 40 Prozent.»