Durch eine strikte Haltung zur Einwanderung finden die anderswo so gebeutelten Sozialdemokraten in Dänemark wieder Zugang zu ihren Stammwählern. Das Resultat: der Wahlsieg. Taugt der dänische Weg auch für die SPD?
Strahlende Siegerin: Mette Frederiksen, Vorsitzende der sozialdemokratischen Partei von Dänemark. Foto: Liselotte Sabroe/Ritzau Scanpix/AP
Strahlende Siegerin: Mette Frederiksen, Vorsitzende der sozialdemokratischen Partei von Dänemark. Foto: Liselotte Sabroe/Ritzau Scanpix/AP - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Mit Hilfe einer strengen Einwanderungspolitik haben die Sozialdemokraten die Parlamentswahl in Dänemark gewonnen.
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Die Partei um die voraussichtliche künftige Regierungschefin Mette Frederiksen landete bei der Wahl nach dem vorläufigem Ergebnis bei fast 26 Prozent der Stimmen.

Trotz des überraschend guten Abschneidens der liberalen Partei von Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen steht Dänemark damit vor einem Regierungswechsel - ein Erfolg für die Sozialdemokraten, der bei der kriselnden SPD in Deutschland derzeit undenkbar erscheint. Frederiksen strebt eine bei linken wie rechten Themen manövrierfähige Minderheitsregierung an.

Der von Frederiksens Partei angeführte sogenannte rote Block kommt dank der Zugewinne anderer linksgerichteter Parteien auf eine Mehrheit von 91 Parlamentssitzen, Løkkes blauer Block auf nur 75. Grosser Verlierer der Wahl war die rechtspopulistische Dänische Volkspartei.

Ein Schlüssel zum Erfolg der dänischen Genossen war ihre für sozialdemokratische Massstäbe strikte Strategie in Migrationsfragen. «Sie sind bei der Einwanderung nach rechts gerückt und bei der Wirtschaft ein kleines Bisschen nach links», sagte der Politikwissenschaftler Rune Stubager von der Universität Aarhus in Kopenhagen. Damit hätten die Sozialdemokraten wieder ihre Stammwählerschaft in der Arbeiterklasse angesprochen und es geschafft, Wähler von den Rechtspopulisten zurückzuholen. Dabei hätten sie auch billigend in Kauf genommen, Stimmen auf dem linken Flügel zu verlieren, sagte Stubager. «Das war ein kalkuliertes Risiko. Wichtig war, diese Wähler über die Mitte hinweg anzuziehen.»

Als stärkste Kraft der Wahl kommen die Sozialdemokraten mit ihren 25,9 Prozent auf 48 der 179 Mandate im Parlament in Kopenhagen - das ist ein Sitz mehr als bislang. Løkkes Partei Venstre gewann mit ihren 23,4 Prozent neun Mandate hinzu und kommt somit auf 43 Sitze.

«Das ist ein historisch grosser Sieg», sagte Frederiksen in der Wahlnacht vor Anhängern in Kopenhagen. Das Wahlergebnis zeige, dass sich die Dänen eine neue Regierung und eine neue politische Ausrichtung wünschten. Løkke räumte seine Niederlage ein, wies aber gleichzeitig auf die Zugewinne seiner Partei hin. «Wir hatten eine fantastische Wahl, aber die Macht wechselt», sagte er.

Løkke reichte bereits am Donnerstag die Rücktrittsdokumente seiner Regierung bei Königin Margrethe II. ein. Frederiksen erhielt am Nachmittag nach ersten Gesprächen im Königshaus von der Monarchin den Auftrag zum Ausloten einer künftigen Regierung. Frederiksen kündigte an, an der strikten Migrationspolitik ihres Landes festzuhalten. Dafür gebe es eine parlamentarische Mehrheit.

Die Verhandlungen über Absprachen mit den anderen Parteien dürften etwa zwei bis drei Wochen dauern. Am Ende könnte Dänemark damit zum zweiten Mal nach Helle Thorning-Schmidt eine Frau als Regierungschefin erhalten, die noch dazu mit 41 Jahren jünger als jeder Ministerpräsident vor ihr ist.

Um den Spagat zwischen der strengen Einwanderungspolitik und einer in anderen Bereichen linksgerichteten Politik zu schaffen, will Frederiksen mit einer nur aus ihrer Partei bestehenden Parlamentsminderheit regieren. Bei der Migration will sie mit dem konservativ-liberalen Lager zusammenarbeiten, bei den meisten anderen Themen mit ihrem traditionellen Block.

Die rechtspopulistische Dänische Volkspartei stürzte auf 8,7 Prozent ab - nach 21,1 Prozent bei der Parlamentswahl 2015. Nach dem ernüchternden Resultat bei der Europawahl ist es für sie das zweite Katastrophenergebnis innerhalb von anderthalb Wochen. Sie verlor nicht nur etliche Wähler an die Sozialdemokraten, sondern auch an mehrere kleinere Parteien im rechten Spektrum. Zudem fand sie keine Antworten auf das wichtigste Wahlkampfthema, die Klima- und Umweltpolitik.

Die Sozialdemokraten waren auch bei der Dänemark-Wahl vor vier Jahren stärkste Kraft geworden, hatten die Regierungsmacht angesichts des insgesamt starken Abschneidens des rivalisierenden Lagers um Løkke aber abgeben müssen. Dass sie eine Wahl gewinnen und künftig das politische Sagen in Kopenhagen haben dürften, unterscheidet ihre Lage von derjenigen südlich der deutsch-dänischen Grenze deutlich: Während die deutsche SPD in der Krise steckt, stehen die skandinavischen Genossen nun kurz davor, nach Schweden und Finnland mit Dänemark ein drittes Land im hohen Norden zu regieren.

Die SPD-Spitze betrachtet das Vorgehen der dänischen Parteikollegen jedoch nicht als Vorbild für Deutschland. «Sozialpolitisch nach links zu steuern, das tun wir längst; gesellschaftspolitisch nach rechts zu gehen, kommt für uns nicht infrage», sagte der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner dem «Tagesspiegel». Die Sozialdemokraten müssten vielmehr weiterhin ein «Bollwerk gegen Rechtspopulisten und Rechtsextreme» bilden.

Die kommissarische Co-Vorsitzende Malu Dreyer wies in der «Süddeutschen Zeitung» auf die unterschiedliche Situation in den verschiedenen Ländern hin: «Es gibt nie den identischen Weg. Jedes Land hat seine eigenen Anforderungen zu stemmen.» Sie sprach sich für eine eindeutige Linie bei der Migrationspolitik aus. «Wir gehen anständig mit Flüchtlingen um, die aus Not zu uns kommen. Und wir sind total klar bei Menschen, die nicht hier bleiben dürfen, weil sie kein Recht dazu haben.»

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