Lob und Kritik an Sozialstaats-Konzept von Nahles bei SPD-Linken
Die Pläne von SPD-Chefin Andrea Nahles für eine Reform des Sozialstaates stossen in der Partei auf ein geteiltes Echo: Juso-Chef Kevin Kühnert lobte das Vorhaben im ARD-«Morgenmagazin», es gab vom linken Parteiflügel aber auch Kritik.

Das Wichtigste in Kürze
- Pläne sehen längeres Arbeitslosengeld und Kindergrundsicherung vor.
Das Konzept, das am Sonntag und Montag auf einer SPD- Vorstandsklausur beraten werden soll, sieht ein Bürgergeld statt des bisherigen Hartz IV, längeres Arbeitslosengeld I sowie eine Kindergrundsicherung vor.
Wer länger in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat, soll nach dem der Nachrichtenagentur AFP vorliegenden SPD-Konzept auch länger ALG I erhalten. Unabhängig vom Alter soll sich die Anspruchszeit bei mindestens 20 Jahren Beitragszeit um drei weitere Monate, ab 25 Jahren um sechs Monate und ab 30 Jahren um neun Monate erhöhen. Bislang liegt die maximale Bezugsdauer für das Arbeitslosengeld I für Menschen unter 50 Jahren bei zwölf Monaten.
Zudem will die SPD einen Leistungsanspruch für Qualifizierung einführen, das Arbeitslosengeld Q. In der geplanten Kindergrundsicherung sollen das Kindergeld, der Kinderzuschlag, das Bildungs- und Teilhabepaket und etwaige Hartz IV-Zahlungen zusammengeführt werden.
Im Zuge des neuen Bürgergeldes will die SPD ein Recht auf Arbeit einführen, ausserdem sollen die bisherigen Hartz-IV-Sanktionen gelockert werden. Zudem sieht das SPD-Konzept vor, beim Übergang vom ALG I zum Bürgergeld in den ersten beiden Jahren Vermögen und Wohnungsgrösse anders als bisher bei Hartz IV nicht anrechnen.
Kühnert sagte, mit dem Konzept löse sich die Partei «aus einer bleiernen Debatte» der vergangenen Jahre. Es gehe um Menschen, «die nicht viel Einkommen haben». Das Geld fliesse zudem sofort zurück in den Konsum.
Demgegenüber sagte die Vorsitzende des "Forums Demokratische Linke 21" in der SPD, Hilde Mattheis, dem "Tagesspiegel", die Ankündigungen von Nahles verrieten bisher "keinen neuen Blick auf den Sozialstaat". Notwendig sei "eine generelle Reform, die etwa bei den Regelsätzen ansetzt und Sanktionen fallenlässt". Allerdings sei jede Korrektur am aktuellen System zu begrüssen".
Nahles hatte sich kürzlich gegen eine Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze gewandt. Berlins Regierender Bürgermeister Micheal Müller bezeichnete es im «Tagesspiegel» zwar als richtig, das Arbeitslosengeld I länger auszuzahlen. Er bleibe aber bei seiner Forderung nach einem solidarischen Grundeinkommen.
Linken-Chefin Katja Kipping nannte es im «Tagesspiegel» empörend, dass Nahles an den niedrigen Hartz-IV-Sätzen sowie an Sanktionen gegen Hartz-IV-Bezieher festhalte. «Daran zeigt sich, dass die SPD Vorsitzende nicht wirklich den Mut hat, sich von der Agenda 2010 zu verabschieden.»
Grünen-Chefin Annalena Baerbock warf der SPD vor, ihre Vorstellungen in der grossen Koalition nicht umzusetzen. Es sei «unverständlich», dass von den SPD-Vorschlägen nichts im Regierungshandeln ankomme, obwohl die SPD seit vielen Jahren das Familienministerium führe, erklärte sie.
FDP-Fraktionsvize Michael Theurer kritisierte die SPD-Vorschläge als «Wahlgeschenke». «Das Geld in den Sozialkassen gehört nicht der SPD», sagte er AFP. «Das haben die Beitragszahler erwirtschaftet.»