Steigende Strompreise könnten viele alte Windräder retten
Viele alte Windkraftanlagen fallen in den nächsten Jahren aus der gesetzlichen Förderung. Bislang ging die Branche davon aus, dass sie überwiegend stillgelegt werden. Doch weil die Strompreise steigen, bleiben viele der alten Windräder vielleicht doch am Netz.
Das Wichtigste in Kürze
- Für mehrere Tausend Windräder in Deutschland steht der weitere Betrieb in den nächsten Jahren auf der Kippe.
Sie stammen aus der Pionierzeit der Windenergie und wurden in den Jahren ab 2000 errichtet.
Üppige Förderungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) lösten damals einen ersten Boom aus und brachten die Windenergie nach vorn. Doch nach 20 Jahren läuft die EEG-Förderung aus. Die alten Anlagen, die nach heutigen Massstäben nicht sehr effizient arbeiten und über wenig Leistung verfügen, müssten mit dem Marktpreis für Strom auskommen, ohne zusätzliche Subvention.
Bislang gingen die meisten Experten davon aus, dass bis 2023 bis zu 14-000 Megawatt installierte Leistung wegfallen können, weil die alten Windkraftanlagen nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben sind. Das wäre immerhin ein Viertel der gegenwärtig installierten Windenergie-Leistung an Land.
Sie könnte nicht vollständig ersetzt werden: Viele der Standorte der alten Windräder sind heute nicht mehr genehmigungsfähig, weil sich gesetzliche Regelungen verändert haben, etwa der erforderliche Abstand zur Wohnbebauung. Die vorgesehenen Ausbau-Korridore für die Windkraft an Land sind ohnehin schmal, die Genehmigungen für neue Anlagen sinken stark. Der Windenergie an Land droht ein Rückgang, ihr Beitrag zur Energiewende könnte schrumpfen.
Doch nun kommt Rückenwind vom Markt. «Der Strompreis ist kräftig gestiegen und damit gibt es auch einen stärkeren Anreiz vom Markt, die Anlagen weiter zu betreiben», sagt Fabian Huneke von der Fachberatung Energy Brainpool. Mit einem Erlös von 3,5 Cent je Kilowattstunde könnten nach seiner Einschätzung viele der alten Windkraftwerke am Markt bleiben. Aktuell liegt der Börsenpreis für Strom bei 4,5 Cent je Kilowattstunde, also ein gutes Stück darüber. Das ist vor allem auf einen höheren Preis für das Klimagas CO2 zurückzuführen.
Für die nächsten Jahre lässt sich der Strompreis nicht vorhersagen, doch der geplante Ausstieg aus der Kohleverstromung dürfte eher preistreibend wirken. Zudem können grössere Windmüller ihre Erträge über Finanzinstrumente absichern oder den Strom per Direktvertrieb zu festen Preisen vermarkten, um ihre Erlöse zuverlässig planen zu können und nicht vollständig von den Schwankungen des Strompreises abhängig zu sein.
Andere Experten sind skeptisch. Um eine alte Anlage weiter zu betreiben, müsse der Windmüller zunächst einmal per Gutachten die Betriebs- und Standsicherheit nachweisen, sagt Jürgen Quentin von der Fachagentur Windenergie an Land. Das koste erst einmal mehr als 10 000 Euro und sei eine Hürde. Und dann komme es sehr auf den Standort an: «Mit 3,5 Cent je Kilowattstunde kann ein guter Standort an der Küste klarkommen, aber tiefer im Binnenland sieht das vielleicht ganz anders aus.»
Für die Stromkunden ist es wichtig, ob die alten Anlagen in Betrieb bleiben oder aus dem Markt gehen. Neue Windräder mit der gleichen Leistung benötigten zur Produktion der gleichen Strommengen bis zu 1,7 Milliarden Euro zusätzliche Erlöse, hat der Düsseldorfer Öko-Stromanbieter Naturstrom ausgerechnet. «Jedes alte Windrad, das ab 2021 ohne technische Notwendigkeit stillgelegt wird, führt zu vermeidbaren Kosten für die Allgemeinheit», sagt Vorstand Oliver Hummel. «Denn es erhöht den Investitionsbedarf in neue Anlagen.»
Alte Anlagen sind bezahlt und abgeschrieben, sie produzieren günstigen Strom. Die neuen Anlagen würden teils über das EEG finanziert und müssten zwangsläufig den ohnehin sehr hohen Strompreis in Deutschland weiter in die Höhe treiben. Der Betrag von 1,7 Milliarden Euro beschreibt allerdings die schlechteste Variante. In der Realität wird es weniger sein.
Ohne Antwort ist auch noch die Frage, wie mehrere Tausend Windräder in Deutschland zurückgebaut und umweltgerecht entsorgt werden können. Damit beschäftigen sich einige Entsorgungs- und Recyclingfirmen, aber eine optimale Lösung ist noch nicht in Sicht. Während heute die Ingenieure bei der Konstruktion einer Anlage auch den Abbau und das Recycling gleich mitbedenken, war das vor 20 Jahren noch nicht Standard. So gibt es nun etliche Probleme beim Rückbau, von den Rotorblättern aus widerstandsfähigen Kunststoffen bis tief in den Boden, wo massive Stahlbaufundamente liegen.