Steinmeier verurteilt zunehmenden Antisemitismus in Deutschland
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat angesichts des erstarkenden Antisemitismus in Deutschland Zivilcourage gefordert.
Das Wichtigste in Kürze
- Bundespräsident fordert Zivilcourage gegen Angriffe und Hass gegen Juden.
«Es beschämt mich und es schmerzt mich, dass Antisemitismus in Deutschland - gerade hier! - wieder häufiger und offen seine Fratze zeigt», sagte Steinmeier bei der zentralen Eröffnungsfeier der Woche der Brüderlichkeit am Sonntag in Nürnberg. Es erfülle ihn «mit grosser Sorge», dass Antisemitismus auch in der Mitte der Gesellschaft «wieder salonfähig» werde.
«Antisemitismus ist in jeder demokratischen Gesellschaft so etwas wie eine rote Linie», sagte Steinmeier laut Redetext. «Und diese Linie ist nicht verhandlungsfähig.»
Antisemitismus zeige sich auf der Strasse, in Klassenzimmern und auf Schulhöfen, in politischen Reden und als Hass und Hetze im Netz. Jeder Hassangriff und erst recht jede Gewalttat gegen Juden sei «ein Angriff auf die Grundlagen unseres Zusammenlebens, auf unsere Verfassung, ja: auf unsere Demokratie und unsere offene Gesellschaft», warnte der Bundespräsident. Dies dürfe nicht hingenommen werden. Gebraucht würden staatliches Handeln ebenso wie Zivilcourage.
Eine grosse Verantwortung kommt Steinmeier zufolge auch den Schulen zu. Das Wissen um die Entstehung des Antisemitismus und «wie fanatischer Rassenhass Deutschland in die Barbarei stürzte», werde vor allem in der Schule vermittelt. Kinder benötigten aber zugleich «ein breites Bild des Judentums, von der Vielfalt jüdischen Lebens und jüdischer Kultur, wie sie sich in Deutschland über Jahrhunderte entfaltet haben».
Die Woche der Brüderlichkeit wird seit 1952 jedes Jahr im März begangen. Sie hat den jüdisch-christlichen Dialog zum Ziel. Seit 1968 wird jährlich die Buber-Rosenzweig-Medaille verliehen, die in diesem Jahr die Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA e.V) und das in Deutschland und Frankreich agierende Netzwerk für Demokratie und Courage e.V. (NDC) erhielten.
Unterdessen ermittelt der polizeiliche Staatsschutz nach einem antisemitischen Tweet, mit dem ein israelischer Spieler des FC Ingolstadt beleidigt wurde. Das bestätigte eine Sprecherin der Polizei in Berlin am Sonntag dem Sportinformationsdienst (SID). Zuvor war Strafanzeige wegen des Verdachts der Volksverhetzung eingegangen. Auch der Deutsche Fussball-Bund (DFB) ermittelt in der Sache.
Der Spieler Almog Cohen war während eines Spiels des FC Ingolstadt bei Union Berlin am Freitag von einem anonymen Nutzer im Kurzbotschaftendienst Twitter antisemitisch beleidigt worden. Der Hass-Kommentar war mutmasslich von einem Fan des Fussball-Zweitligisten Union Berlin abgesetzt worden.
Unmittelbar nach dem Spiel hatten sowohl Union Berlin als auch der FC Ingolstadt den Tweet scharf verurteilt und rechtliche Schritte angekündigt. «Ich schäme mich für solche Unioner», sagte Dirk Zingler, der Klubpräsident der Eisernen. Auch der DFB bezog klar Stellung. «Diesen widerlichen, antisemitischen Tweet verurteilen wir in aller Schärfe und fordern, dass dem konsequent nachgegangen wird», sagte DFB-Vizepräsident Rainer Koch.
Das israelische Aussenministerium erklärte am Sonntag, es sei «schockiert» über den Tweet. Ein Sprecher des Ministeriums äusserte die Erwartung, dass die deutschen Behörden «hart» gegen den Verfasser des Kommentars vorgingen.