Streit um Asylpakt mit Ruanda: Britischer Premier entgeht Niederlage
In der britischen Regierung wird der Asylpakt mit Ruanda stark diskutiert. Der britische Premier ist nur knapp einer Niederlage entgangen.
Im Streit um den britischen Asylpakt mit Ruanda ist Premierminister Rishi Sunak am Dienstagabend einer empfindlichen Niederlage im Parlament entgangen. Die Abgeordneten stimmten in zweiter Lesung mehrheitlich für einen eilig eingebrachten Gesetzentwurf der Regierung, durch den der vom obersten Gericht für rechtswidrig erklärte Asylpakt mit Ruanda gerettet werden soll.
Zuvor hatte es grosse Zweifel gegeben, ob Sunak die erforderliche Mehrheit hinter sich bringen kann.
Sowohl der rechte als auch der linke Flügel seiner Partei hatten grosse Vorbehalte gegen das Gesetzesvorhaben. Für den Gesetzentwurf stimmten schliesslich 313 Abgeordnete, dagegen 269.
Migranten nach Ruanda abschieben
Um Migranten abzuschrecken, will London irregulär eingereiste Ankömmlinge künftig ohne Prüfung ihres Asylantrags und ungeachtet ihrer Herkunft nach Ruanda schicken. Sie sollen stattdessen dort um Schutz ersuchen – eine Rückkehr nach Grossbritannien ist nicht vorgesehen. Der britische Supreme Court hatte jedoch Bedenken wegen des ruandischen Asylverfahrens geltend gemacht und den Plan Mitte November für rechtswidrig erklärt.
Um diese Sorgen auszuräumen, will die Regierung in London nun Ruanda per Gesetz zum sicheren Drittland erklären und gleichzeitig den Rechtsweg in Grossbritannien unter Berufung auf Menschenrechte ausschliessen. Kritiker, auch aus seiner eigenen Partei, warfen ihm vor, damit Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit ausser Kraft zu setzen. Anderen ging der Vorstoss nicht weit genug. Sie forderten, auch den Gang vor internationale Gerichte per Gesetz auszuschliessen.
Rechter Flügel droht, Gesetz in dritter Lesung scheitern zu lassen
«Das britische Volk sollte entscheiden, wer in dieses Land kommen darf – nicht kriminelle Banden oder ausländische Gerichte. Das ist es, was dieser Gesetzentwurf liefert», schrieb Sunak nach der Abstimmung auf X (vormals Twitter). Er fügte hinzu: «Wir werden ihn nun zum Gesetz machen, damit wir die Flüge nach Ruanda starten und die Boote stoppen können.»
Kritiker, auch aus seiner eigenen Partei, warfen Sunak vor, mit dem Vorhaben Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit ausser Kraft zu setzen. Anderen ging der Vorstoss nicht weit genug. Sie forderten, auch den Gang vor internationale Gerichte per Gesetz auszuschliessen. Mehrere Gruppen innerhalb der Tory-Fraktion aus dem rechten Flügel kündigten kurz vor der Abstimmung an, sich zu enthalten.
Sie drohten jedoch damit, den Gesetzentwurf in dritter Lesung im neuen Jahr scheitern zu lassen, sollten ihre Forderungen nicht erfüllt werden. Die Auseinandersetzungen erinnerten an die chaotische Brexit-Zeit, als die damalige Premierministerin Theresa May mehrfach mit ihrem Brexit-Deal im Unterhaus scheiterte.
Symbolpolitik mit hohen Kosten
Sunak, dessen Tory-Partei in Umfragen weit hinter der oppositionellen Labour-Partei liegt, hat es zum zentralen Anliegen gemacht, die irreguläre Einreise von Migranten in kleinen Booten über den Ärmelkanal zu beenden. Allein 2022 gelangten etwa 45 000 Menschen auf diesem Weg nach Grossbritannien. In diesem Jahr liegt die Zahl bislang um ein Drittel niedriger als im Vorjahr. Trotzdem gilt das Versprechen nicht als eingelöst.
Für den britischen Premier geht es bereits um Wahlkampf: Bis Januar 2025 muss ein neues Parlament gewählt werden, Kommentatoren rechnen mit einer Abstimmung spätestens im Herbst 2024. Im harten Vorgehen gegen irreguläre Einwanderer sehen die Tories eine Chance, Brexit-Unterstützer aus der Arbeiterschicht bei der Stange zu halten.
Experten wie der Politologe Matthew Flinders von der Universität Sheffield sprechen von Symbolpolitik bei hohen Kosten. Bisher sind bereits 240 Millionen Pfund an Ruanda geflossen, weitere 50 Millionen sollen im kommenden Jahr gezahlt werden – bislang konnte aber kein einziger Migrant dorthin abgegeben werden.
Hardliner fordern Austritt aus Europäischer Menschenrechtskonvention
Der Menschenrechtsausschuss des Parlaments warnte, das Gesetz verstosse gegen internationales Recht und könne zu einem beispiellosen Verfassungskonflikt zwischen Ministern und britischen Gerichten führen. Hardliner fordern sogar den Ausstieg aus der Europäischen Menschenrechtskonvention, damit Betroffene sich auch nicht mehr an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wenden können. Das lehnt Sunak bisher ab.
Ändert der Premier aber nun den Kurs, dürfte wiederum der moderate Teil der Fraktion, ebenfalls etwa 100 Abgeordnete stark, rebellieren. Diese Tories fürchten um die Reputation des Landes, wenn Grossbritannien sich über internationale Menschenrechte hinwegsetzt. So steckt der 43-Jährige zwischen den Fronten. «Der Premierminister hat keine Karten mehr auf der Hand», sagte Politologe Flinders.
Manche fordern bereits eine Rückkehr von Boris Johnson
Auf den Tag genau vier Jahre nach ihrem fulminanten Wahlsieg 2019 haben die Konservativen nun eine schwere Pleite erst einmal vermieden. Doch es dürfte ungemütlich bleiben. Denn schon fordern die ersten, dass der Sieger von damals die Partei erneut übernehmen möge, um ein Wahldebakel zu verhindern. Sein Name: Boris Johnson.