Studie zeigt: Fische sind noch bedrohter als angenommen
Die Modelle, die für Fangmengen herangezogen werden, liefern Forschern zufolge viel zu optimistische Zahlen zum Fischbestand. Viele Arten sind stark überfischt.

Das Wichtigste in Kürze
- Weltweit sind viele Fischarten bedroht oder schon so gut wie ausgestorben.
- Ein Grund ist, dass sie überfischt werden – zum Teil auch wegen fehlerhafter Modelle.
- Diese setzen den Fischbestand oft viel höher an, als er in Wirklichkeit ist.
Viele Fischbestände weltweit sind durch Überfischung bedroht oder bereits zusammengebrochen. Das liegt einer Studie zufolge nicht nur daran, dass wissenschaftlich errechnete Höchstfangmengen nicht eingehalten wurden.
Vielmehr seien bereits diese Empfehlungen zu hoch angesetzt, berichten Forschende im Fachmagazin «Science». Die Grösse von Beständen und die Dynamik ihrer Erholung seien bisher viel zu optimistisch eingeschätzt worden.
Fischerei-Modelle liefern die Basis zur Regulierung der globalen und regionalen Fischerei und gelten als ein wichtiges Werkzeug gegen Überfischung. Als Hauptursache dieser Überfischung galt bislang, dass die Fischereipolitik Fangmengen höher festlegte, als auf Basis der Modelle empfohlen wurde.
Obwohl dringend nötig: Fangmengen werden nicht reduziert
Ein Team um Graham Edgar von der University of Tasmania (Australien) untersuchte nun Daten von 230 Fischgründen weltweit. Es glich die Werte mit denen aus Modellen ab und stellte fest, dass die Empfehlungen vielfach zu hoch angesetzt waren.

Überschätzt wurde, wie viele Fische einer Art es noch gibt und wie schnell sich ein Bestand erholen kann. Besonders bei bereits überfischten Populationen sei die Abweichung der genutzten Modelle gravierend.
Aber auch als erholt eingestufte Bestände schrumpften der Analyse zufolge in Wirklichkeit oft weiter. Rainer Froese vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel: «Das führte dazu, dass Fangmengen nicht ausreichend reduziert wurden, obwohl es dringend notwendig gewesen wäre.»
Als nachhaltig befischt geltende Bestände sind oft überfischt
Das Problem betreffe keineswegs nur die Vergangenheit. Auch jetzt würden die Bestandsgrössen nicht korrigiert – obwohl bekannt sei, dass sie überschätzt werden, so Froese.
Fast ein Drittel jener Bestände, die von der Welternährungsorganisation als «maximal nachhaltig befischt» eingestuft werden, seien in Wirklichkeit überfischt. Als nachhaltig gilt Fischerei, wenn nicht mehr Fisch entnommen wird, als dieser nachwächst.
Zudem seien weitaus mehr Bestände als angenommen schon zusammengebrochen, heisst es weiter: 85 Prozent mehr Populationen als bisher geschätzt seien kollabiert, also auf unter zehn Prozent ihres historischen Maximums geschrumpft.
Experte nimmt Fischereiindustrie in die Pflicht
«Überfischung ist besonders im Mittelmeer, in Westafrika und Südasien ein Problem», erläutert Boris Worm von der Dalhousie University (Kanada). Weltweit seien viele küstennahe Fischereien schon lange zusammengebrochen und würden gar nicht mehr erfasst.

Das Phänomen sei zum Beispiel für den Dorsch der westlichen Ostsee gezeigt, erklärte Christian Möllmann von der Universität Hamburg. «Die oft zu positive Schätzung der Biomasse hat meiner Einschätzung nach auch zur Überfischung des Bestandes beigetragen.»
Möllmann sieht die Güte der Modelle dabei nicht als entscheidend an. «Wichtiger ist meiner Einschätzung nach der Wille der Fischereiindustrie, nicht jeden Fisch aus dem Meer zu ziehen.» Der Wille und das Einsehen, umsichtig und zurückhaltend zu fischen, sei oft nicht erkennbar.