Thüringen: So mogelte sich AfD-Höcke in den Landtag
Das Wichtigste in Kürze
- Im Osten Deutschlands fanden am Sonntag zwei Landtagswahlen statt.
- Die AfD wurde in Thüringen deutlich zur stärksten Kraft.
- In Sachsen legt sie ebenfalls zu, landet aber knapp hinter der CDU.
- Wie geht es weiter? Nau.ch hält dich im Ticker auf dem Laufenden.
Erstmals in der Nachkriegsgeschichte ist mit der AfD eine als rechtsextremistisch eingestufte Partei bei einer Landtagswahl stärkste Kraft geworden. In Thüringen liegt sie nach den vorläufigen Ergebnissen auf Platz eins. Bei der Landtagswahl in Sachsen legt sie ebenfalls zu, landet aber knapp hinter der CDU.
Hast du mit dem AfD-Resultat in Ostdeutschland gerechnet?
Aus dem Stand zweistellig wird in beiden Ländern das neue Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Für die Parteien der Ampel-Koalition im Bund, die an Stimmen verlieren, ist es ein bitterer Abend.
Die wichtigsten Infos zum Wahlsonntag kannst du im gestrigen Ticker nachlesen – die neuesten Entwicklungen vom Montag gibt es hier:
Deutscher CDU-Chef fordert Begrenzung der Zuwanderung
14.50: Der deutsche CDU-Vorsitzende Friedrich Merz verlangt nach den drastischen Verlusten der Berliner Regierungskoalition eine Wende in der Migrationspolitik. «Die Ampel-Koalition in Berlin hat gestern ein totales Fiasko erlebt», sagte Merz am Montag vor der Presse in Berlin.
Es sei eine Reaktion auf die Regierungspolitik in Berlin. Das eigentliche Problem in Deutschland sei nach wie vor «der enorme Zuwanderungsdruck». Auf fünf Abschiebungen kämen 100 Neuzugänge an Migranten.
«Eine Begrenzung geht nur mit einer Zurückweisung an den Staatsgrenzen», sagte Merz. Die Grenze in Deutschland müssten besser geschützt werden, und Deutschland müsse das Recht auf Zurückweisungen haben
So mogelte sich Höcke in den Landtag von Thüringen
14.34: Björn Höcke sicherte sich den Sitz im Thüringer Landtag. Das allerdings nur wegen zwei fehlenden Unterschriften, wie die «Bild» berichtet.
Der AfD-Mann hatte seinen Direktwahlkreis Greiz II nämlich nicht für sich gewinnen können. Stattdessen gewann CDU-Kandidat Christian Tischner. Das Problem: Die AfD hatte nach der Wahl 32 Plätze im Landtag sicher – aber bereits 31 Wahlkreise für sich entschieden. Nur ein Sitz konnte also über den Listenplatz vergeben werden.
Und genau den schnappte sich Höcke letztlich dennoch. Wie? In Wartburgkreis I und Wartburgkreis II konnte kein AfD-Kandidat direkt gewählt werden. Es gab keine Auswahl, da die Unterschrift des Landesvorsitzenden – also Björn Höcke –für die Zulassung fehlte.
Wie die «Bild» weiter berichtet, soll es sich offiziell um einen Formfehler gehandelt haben. Ohne diesen Fauxpas hätte Höcke den Einzug in den Landtag aber wohl verpasst.
Scholz: «Die Wahlergebnisse von Sonntag sind bitter»
12.55: Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen als «bitter» bezeichnet. Gleichzeitig zeigte er sich erleichtert, dass die «düsteren Prognosen» nicht eingetreten sind. Nach denen die SPD unter die Fünf-Prozent-Hürde hätte fallen können.
«Die Wahlergebnisse von Sonntag sind bitter – auch für uns. Dennoch: Die SPD hat zusammengehalten. Wir haben gemeinsam einen guten und klaren Wahlkampf geführt», heisst es in der ersten Reaktion des Kanzlers. «Es zeigt sich: Kämpfen lohnt. Jetzt geht es darum, stetig um mehr und neue Zustimmung zu werben.»
Schwierige Regierungsbildung nach Landtagswahlen
11.59: Nach den Landtagswahlen in den ostdeutschen Bundesländern Sachsen und Thüringen dürfte sich die Bildung neuer Landesregierungen in die Länge ziehen. In beiden Ländern kam die in Teilen rechtsextreme AfD auf mehr als 30 Prozent, es will aber keine andere Partei mit ihr zusammenarbeiten.
In Thüringen hatte AfD-Landeschef Björn Höcke trotz fehlender Koalitionsaussichten noch am Wahlabend angekündigt, die anderen Parteien zu Sondierungsgesprächen einzuladen. In dem Land mit 2,1 Millionen Einwohnern zeichnet sich aber auf jeden Fall ein Regierungswechsel ab. Dies, weil die Linkspartei des bisherigen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow stark an Stimmen verlor.
Brandenburgs CDU-Chef: Keine Koalition mit Linken und AfD
11.55: Die Brandenburger CDU bleibt auch nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen beim beschlossenen Tabu für Koalitionen mit der Linken und der AfD. «Der Unvereinbarkeitsbeschluss zu AfD und Linke gilt», sagte CDU-Landeschef Jan Redmann der Deutschen Presse-Agentur. «Es gibt gerade aus Brandenburger Sicht keinen Anlass, diesen infrage zu stellen.»
In Thüringen und Sachsen stehen nach den Wahlen vom Sonntag komplizierte Regierungsbildungen bevor. Nach einem Unvereinbarkeitsbeschluss der Bundespartei darf die CDU weder mit der AfD noch mit der Linken koalieren. Das BSW ist nicht davon erfasst. In Brandenburg wird am 22. September ein neuer Landtag gewählt.
Sachsens Ministerpräsident warnt vor grossem Schaden
10.50: Nach den Wahlergebnissen verlangt Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer tiefgreifende Änderungen in der Bundesrepublik. «Die Menschen sind verärgert, enttäuscht von der Demokratie», sagte er.
Es sei ein Denkzettel für die Berliner Politik. «Und man fragt sich: Wann wird das hier gehört? Wann wird das verstanden», ergänzte Kretschmer mit Blick auf die Bundestagswahl 2025.
Weiter warnte er: «Auf diesem Weg nimmt unser Land grossen Schaden». Der Ministerpräsident von Sachsen verlangte vor allem Änderungen in der Migrations- und Energiepolitik. Auch eine andere Meinung zum Thema Waffenlieferungen an die Ukraine müsse möglich sein.
Ergebnis in Sachsen wird korrigiert – AfD verliert Sitz
10.45: Der Wahlleiter hat das vorläufige Ergebnis der sächsischen Landtagswahl korrigiert. Aufgrund eines Softwarefehlers sei eine falsche Sitzverteilung veröffentlicht worden, teilte die Landeswahlleitung mit.
Folgen hat das vor allem für die AfD. Denn durch die Neuberechnung verliert die Partei einen Sitz. Und damit kommt sie neu nicht mehr auf 41, sondern lediglich auf 40 Sitze.
Somit verfügt die AfD nun nicht mehr über eine Sperrminorität im Landtag – und verliert ein Stück ihrer Macht. Mit dieser Sperrminorität hätten Landesgesetze, die mit einer Zweidrittelmehrheit aller Abgeordneter entschieden werden müssen, nämlich nicht ohne die Rechtsaussen-Parlamentarier zustande kommen können.
Heisst: Die AfD hätte sich bei gewissen Entscheidungen oder Wahlen querstellen und sie blockieren können. Da ihre Zustimmung nötig gewesen wäre. Dem ist nun aber doch nicht so.
Infolge des Rechenfehlers in Sachsen verliert übrigens auch die CDU einen Sitz. Dafür bekommen die Grünen und die SPD einen Sitz mehr.
Höcke grätscht bei ARD-Moderator im Interview rein
10.00: Nach dem Wahlsieg in Thüringen war der AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke am gestrigen Sonntag im ARD-Studio zu Gast. Doch bereits bei der ersten Frage von Moderator Gunnar Breske grätschte Höcke dazwischen. Der AfD-Mann liess Breske kaum aussprechen.
«Sie sind die Partei mit den meisten Stimmen an diesem Wahlabend. Sie werden aber auch als gesichert rechtsextremistisch eingestuft», beginnt Breske. Da unterbricht ihn Höcke prompt: «Das musste ja grade wieder sein.»
Der ARD-Moderator entgegnet schliesslich, dass seine Aussage eine Tatsache sei. Da stänkert Höcke erneut: «Wollen wir uns darüber unterhalten?»
Breske möchte seine Frage daraufhin fortführen – wird jedoch erneut von seinem Interviewpartner unterbrochen. «Dann hören Sie bitte auf, mich zu stigmatisieren. Wir sind die Volkspartei Nummer eins in Thüringen (...)», zeigt sich Höcke beleidigt.
Deutsche AfD-Chefs erheben Regierungsanspruch
09.40: Die deutschen AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla beanspruchen nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen eine Regierungsbeteiligung.
«Natürlich haben wir Regierungsanspruch», sagte Weidel im ZDF-«Morgenmagazin». Die Wähler hätten sich in beiden Bundesländern klar für eine Mitte-Rechts-Koalition und eine Beteiligung der AfD entschieden.
Sie glaube nicht, dass sich die Brandmauer aufrechterhalten lasse. «Wir wollen mal sehen, wie sich die CDU auf Dauer verhalten wird», so Weidel.
AfD-Chef Chrupalla bat der sächsischen CDU von Ministerpräsident Michael Kretschmer eine Zusammenarbeit an. «Mit wem will er denn seine Wahlversprechen umsetzen? Das würde mit uns eher klappen als, denke ich mal, zum Beispiel mit der SPD oder mit den Grünen.» Dies sagte Chrupalla im Deutschlandfunk.
Deutsche SPD-Chefin hält trotz Wahlverlusten an «Ampel» fest
09.00: Die deutsche SPD-Vorsitzende Saskia Esken hält an der Zusammenarbeit der Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen auf Bundesebene fest.
«Wir haben noch viel vor», sagte Esken am Tag nach der Wahl im Deutschlandfunk. Die Koalition habe sich im Bund wichtige Themen wie das Rentenpaket und die Stärkung der Wirtschaft vorgenommen. «Deswegen bin ich zuversichtlich, dass wir auch weiterhin zusammen gut arbeiten werden», betonte Esken.
Die SPD hatte in Thüringen ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 eingefahren.
Das schreibt die Welt über AfD-Sieg in Thüringen
08.20: Der AfD-Sieg in Deutschland beschäftigt über die Landesgrenzen hinaus. Internationale Medien berichten über das politische Geschehen in Thüringen. So schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» etwa von einem «Erdbeben, das die Geschichte verändert».
Und weiter: «Zum ersten Mal seit Kriegsende gewinnt eine rechtsextreme Partei eine Landtagswahl in Deutschland. 90 Jahre nach Hitlers Machtergreifung.»
Beim britischen «Guardian» heisst es: «Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg wurde eine rechtsextreme Partei zur stärksten Kraft in einem deutschen Landtag (...).» Damit hätten die Wählerinnen und Wähler im Osten ihre Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien deutlich gemacht.
«Le Parisien» berichtet: «Rechtsextreme gewinnen eine Landtagswahl, die erste in der Nachkriegszeit.» Die Ergebnisse seien ein Schlag für die fragile Koalition von Olaf Scholz, so das Urteil der französischen Zeitung.
In Spanien wird der Wahlsieg der Rechten von «El Mundo» folgendermassen kommentiert: «Die Wahlergebnisse in den Bundesländern Thüringen und Sachsen – mit der AfD auf dem ersten bzw. zweiten Platz – offenbaren ein Szenario des realen politischen Zusammenbruchs in dem Land, das traditionell an der Spitze der europäischen Wirtschaft steht.»
Die Zunahme extremistischer und einwanderungsfeindlicher Diskurse würden eine ernsthafte Bedrohung für das europäische Projekt darstellen.
Experte: Etablierte Parteien können keine Antworten mehr liefern
05.00: Nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen ist klar, dass der Wahlabend eine grosse Klatsche für die Berliner Regierungsparteien gewesen ist. Die Ampel mit SPD, FDP und Die Grünen brachten es in beiden Bundesländern gemeinsam nicht einmal mehr auf 15 Prozent.
Bei «ZDF Heute» analysierte am Sonntagabend Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte die Resultate. Er meinte, dass die Dynamik in den beiden Ost-Bundesländern von einer umfassenden Unzufriedenheit der Wählerschaft angetrieben worden sei. Der Grund, warum die Ampel-Parteien so schlecht abgeschnitten haben, erklärt sich Korte auch mit «der sich verändernden Gesellschaft».
«Die etablierten Parteien können offenbar für eine Mehrheit der Gesellschaft keine politischen Antworten mehr liefern. Ost-Identität sucht sich offenbar über Ost-Trotz und auch Ost-Stolz andere Parteien, Defizitparteien.» Gerade davon habe etwa auch das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht profitiert, so der Experte.
Medien: «Der Osten ohrfeigt die abgehobene Ampel»
ARD-Tagesschaumoderator Gabor Halasz geht in einem Kommentar ebenfalls hart mit der Ampel-Koalition ins Gericht. «Das ist eine Regierung, die ein miserables Bild abgibt und auch deshalb AfD und BSW stärkt», so der Polit-Experte.
Halasz kritisiert, dass sich die Ampel-Parteien «öffentlich streiten» und sich «massregeln». «Sie geloben jetzt zwar wieder Besserung, aber wer soll das noch glauben?» Die Menschen würden merken, wenn Politik nicht ehrlich oder nicht authentisch sei.
Der «Focus» schreibt über Thüringen und Sachsen, dass der Osten die «abgehobene Ampel ohrfeigt». In dem Text von Ulrich Reitz heisst es, dass sich die Wähler gegen das «Berliner Establishment» entschieden hätten.
Und: «Diese Anti-Establishment-, Anti-Eliten-, Anti-Berlin- und Anti-Abgehobenheit-Stimmung haben AfD und die Wagenknecht-Partei BSW so konsequent wie geschickt adressiert.»
Diese Wahl sei bundespolitisch geprägt gewesen, meint auch der «Spiegel» zu Thüringen und Sachsen. Es sei vor allem um ein Signal Richtung Berlin gegangen. Christoph Hickmann schreibt, dass es den Wählerinnen und Wählern vor allem um die ganz grossen Themen ging.
Darunter die Migration und der Ukraine-Politik der Bundesregierung. «Hier sind sich AfD und BSW besonders nah. Beide Parteien stehen Moskau tendenziell freundlich und Migranten tendenziell unfreundlich gegenüber.»
Alles ausgezählt: CDU wird stärkste Kraft in Sachsen
00.30: Die CDU ist bei der Landtagswahl in Sachsen mit 31,9 Prozent stärkste Kraft geworden. Damit liegt sie nach Auszählung aller Wahlkreise vor der AfD, die auf 30,6 Prozent der Stimmen kam.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) trat erstmals bei der Landtagswahl an und erreichte auf Anhieb 11,8 Prozent. Das teilte die Landeswahlleitung auf ihrer Webseite bekannt. Sie stellt künftig damit die drittstärkste Fraktion im Landtag.
Die SPD erhielt 7,3 Prozent der Stimmen, die Grünen kamen auf 5,1 Prozent. Die Linke rutschte auf 4,5 Prozent ab. Sie schaffte jedoch den Wiedereinzug in den Landtag durch den Gewinn von zwei Direktmandaten. Die Wahlbeteiligung lag mit 74,4 Prozent so hoch wie noch nie bei einer Landtagswahl in dem Bundesland.
AfD gewinnt in Thüringen erstmals Landtagswahl
23.14: In Thüringen hat die AfD erstmals bei einer Landtagswahl in Deutschland die meisten Stimmen bekommen. Die Partei von Spitzenkandidat Björn Höcke erzielte nach Auszählung aller Wahlbezirke mit einem deutlichen Plus 32,8 Prozent.
Das teilte die Landeswahlleitung auf ihrer Webseite bekannt. Sie landete damit deutlich vor der CDU, die 23,6 Prozent erhielt.
Auf den dritten Rang kam das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Das Bündnis erreichte 15,8 Prozent und verwies damit die Linke (13,1 Prozent) auf den vierten Rang. Die SPD schaffte mit 6,1 Prozent ebenso den Einzug in den Landtag.
Nicht aber die Grünen, die nur 3,2 Prozent erreichten. Die Wahlbeteiligung lag mit 73,6 Prozent deutlich höher als zuletzt.