Tinder-Betrug: Finanzieller Ruin statt grosser Liebe
Erst gibt es ein Match, dann wachsen die Gefühle – und am Ende ist das Konto bis auf den letzten Cent leer. Internetbetrüger versuchen Kontaktsuchende von attraktiven «Investments» zu überzeugen, warnt die bayerische Justiz.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Täter nennen es «Schweine schlachten», die Opfer finden statt der erhofften Liebe den finanziellen Ruin: Eine perfide Betrugsform im Internet hat allein bei bayerischen Opfern schon zu rund 20 Millionen Euro Schaden geführt.
Und das ist nur die Summe, die bei der Zentralstelle Cybercrime Bayern (ZCB) angezeigt wurde – viele Opfer der sogenannten Tinder-Trading-Scams schweigen aus Scham, wie Justizminister Georg Eisenreich (CSU) in München sagte. Schliesslich haben sie sich dazu bringen lassen, teils ihr gesamtes Vermögen in vermeintlich attraktive, in Wahrheit nicht existierende Finanzinvestitionen im Netz zu stecken.
Am Ende ist alles weg
«Häufig beginnt es mit einem romantischen Match auf Tinder», erläuterte Eisenreich. «Erst bauen die Täter eine emotionale Bindung auf. Dann überreden sie ihre Opfer, in Kryptowährungen auf gefälschten Internetseiten zu investieren. Am Ende ist alles weg – das Geld und die Liebe.» Die Täter sprechen verächtlich von «Pig Butchering», auf Deutsch «Schweine schlachten». Der angezeigte Schaden beträgt im Schnitt pro Betroffenem rund 70.000 Euro.
Die Methode breitet sich den Angaben zufolge seit der Corona-Pandemie rasant im Internet aus. Auch wenn die Betrugsmasche nach dem Datingportal Tinder benannt ist, findet sie auch auf vielen anderen Seiten statt. Die Betrüger treten dort mit potenziellen Opfern in Kontakt und bauen zunächst mit Flirtbotschaften Nähe und Vertrauen auf. Anschliessend täuschen sie aber nicht wie beim ebenfalls häufigen «Love Scam», dem modernen Heiratsschwindel, Geldprobleme vor, sondern versuchen, die Opfer von in Wahrheit nicht existierenden Geldanlagen in Aktien oder Kryptowährungen zu überzeugen.
Geschädigte meist männlich
Besonders über soziale Netzwerke werden zwar auch Frauen von den Tätern kontaktiert, die überwiegende Zahl der Geschädigten ist jedoch männlich. Viele verlieren ihr gesamtes Vermögen – allein in diesem Jahr steckten zwei Opfer jeweils mehr als eine Million Euro in die vermeintlich unwiderstehlichen Angebote. «Teils treiben die Täter die Geschädigten sogar in den Suizid: Zwei Geschädigte waren so verzweifelt, dass sie sich in diesem Jahr das Leben nahmen», warnte Eisenreich. Andere entwickelten Depressionen und Angstzustände.
Die Spur führt die Ermittler häufig nach Asien. «260 Anzeigen auf 230 Plattformen, die seit 2021 bei der ZCB eingegangen sind, haben Bezüge nach China, Hongkong und Südostasien», bilanzierte Eisenreich. In diesem Jahr führten bereits 55 Anzeigen in diese Länder. Die Hintermänner betreiben den Angaben zufolge regelrechte «Betrugsfabriken» in Südostasien, etwa in Thailand, Laos, Myanmar oder Kambodscha. «Entsprechende Rechtshilfeersuchen sind erfahrungsgemäss schwierig», räumte der Justizminister ein.
Das macht Ermittlungserfolge schwierig, zumal die Identität der Täter gefälscht ist. Deshalb solle man Internetkontakte stets kritisch überprüfen, «vor allem wenn die Person nach dem Erstkontakt schnell vom Dating-Portal zu Messenger-Diensten wechseln möchte und nie für ein persönliches Treffen oder ein Videotelefonat zur Verfügung steht», warnte Eisenreich. Erst recht misstrauisch sollte man werden, wenn Zahlungen – zumal in Kryptowährungen – verlangt werden. Die Täter gaukeln zunächst hohe Gewinne vor, um die Opfer zu noch grösseren Investitionen zu bewegen, vertrösten aber und brechen dann den Kontakt ab, wenn um eine Aus- oder Rückzahlung gebeten wird.