Schweigeminute und Glockengeläut für getötete Polizisten
An vielen Orten haben Menschen der beiden Polizeibeamten gedacht, die im Einsatz erschossen wurden. Es gehe aber nicht nur um Trauer, macht die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Dreyer dabei klar.
Das Wichtigste in Kürze
- In Trauer vereint haben zahlreiche Polizeibeamte, Bürger und Politiker am Freitag mit einer bundesweiten Schweigeminute den beiden erschossenen Polizisten aus Rheinland-Pfalz gedacht.
Vielerorts läuteten Kirchenglocken für die beiden Beamten, die am Montagmorgen bei einer Verkehrskontrolle getötet worden waren. In Kusel unweit des Tatorts kam Ministerpräsidentin Malu Dreyer mit Angehörigen und Kollegen der Opfer zu einer Trauerfeier zusammen.
Am Rande des nicht öffentlichen Gedenkens verurteilte die SPD-Politikerin hämische Kommentare im Internet scharf, die nach den tödlichen Schüssen verbreitet worden waren. «Wir erleben im Netz gerade widerwärtige Dinge, dass diese Tat von manchen bejubelt wird», sagte Dreyer. Die Behörden würden weder Beleidigungen noch Drohungen dulden - und nicht nur löschen, sondern verfolgen und bestrafen.
Hetze gegen Polizei wird verfolgt
Innenminister Roger Lewentz sagte, im Raum Idar-Oberstein (Kreis Birkenfeld) habe es bereits einen Zugriff gegeben. «Dort hatte eine Person im Netz aufgerufen, Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte auf Feldwege zu locken und dort zu beschiessen», sagte er. Man habe die Wohnung geöffnet und die Person überwältigt. Der Staat akzeptiere solche Aufrufe nicht. «Das Verfahren läuft», sagte Lewentz.
Wie die Polizei mitteilte, hatte der Mann in seinem öffentlichen Facebook-Profil zwei Videos hochgeladen. Spezialkräfte überwältigten den 55-Jährigen am späten Donnerstagabend in seinem Haus in der Verbandsgemeinde Herrstein-Rhaunen. «In einer ersten spontanen Äusserung bestätigte er seinen mörderischen Hass auf die Polizei», hiess es. Der Mann wurde festgenommen, aufgrund seines Zustands in der Psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses in Gewahrsam genommen und später auf freien Fuss gesetzt. Die Ermittlungen laufen.
Mit Kopfschüssen getötet
Am frühen Montagmorgen waren ein 29 Jahre alter Oberkommissar und seine 24 Jahre alte Kollegin, eine Polizeianwärterin, nur wenige Kilometer von Kusel entfernt mit Kopfschüssen aus Gewehren getötet worden. Unter dringendem Tatverdacht stehen zwei 32 und 38 Jahre alte Männer, die noch am selben Tag festgenommen wurden und nun in Untersuchungshaft sitzen. Die Ermittler gehen davon aus, dass mit der Bluttat Jagdwilderei vertuscht werden sollte. Nach bisherigen Erkenntnissen hatten die Streifenbeamten bei der Kontrolle des Kastenwagens an einer Kreisstrasse zahlreiche tote Wildtiere entdeckt.
Am Tatort lagen am Freitag viele Blumen, auch Kerzen brannten dort. In der Nähe steht nun als Gedenkort ein Holzkreuz mit der Aufschrift «Du lebst in unserem Herzen». Zahlreiche Menschen kamen direkt nach der Gedenkfeier in der Kuseler Fritz-Wunderlich-Halle dorthin.
An der internen Veranstaltung nahmen etwa 200 Menschen teil, darunter Angehörige und Kolleginnen und Kollegen der Opfer. Auch vor der Polizeidirektion in Kusel gedachten zahlreiche Menschen der Tat.
In Rheinland-Pfalz hatten alle Polizeipräsidien ihre Beamtinnen und Beamten zur Teilnahme an der Schweigeminute aufgerufen. In Mainz beteiligten sich die Mitglieder des Landtags-Untersuchungsausschusses zur Ahr-Flutkatastrophe an dem stillen Gedenken. In sozialen Medien trendete der Hashtag #zweivonuns zum Gedenken an die Beamten.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nahm in Frankfurt/Main an einer Gedenkminute der Bundespolizei am Hauptbahnhof teil. Sie dankte den Polizistinnen und Polizisten, die «Tag für Tag unter Einsatz ihres Lebens» für die Sicherheit der Gesellschaft einstünden.
Zunehmende Gewaltbereitschaft
Die beiden Mordopfer stammten ursprünglich aus dem Saarland. Die 24-jährige Polizeianwärterin stand kurz vor dem Abschluss ihres Polizeistudiums. Lewentz sagte der Deutschen Presse-Agentur, es sei ein Einsatz gewesen, der auch im Rahmen der Ausbildung nicht unüblich sei. Aufgrund der dramatischen Todesfolgen werde der Einsatz aber genau ausgewertet und bewertet, kündigte der Innenminister an.
Auch der frühere rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) beobachtet eine zunehmende Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft. «Eine solche Rohheit hat auch etwas damit zu tun, dass wir insgesamt schrittweise Übergriffe hingenommen haben», sagte der 72-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. Insbesondere durch das Internet und durch bestimmte Videospiele habe sich Brutalität - auch wenn sie dort nicht real sei - in die Gesellschaft geschlichen und bei vielen Menschen die Hemmschwelle zur Gewalt gesenkt.
Seit 1945 seien in Deutschland mehr als 400 Polizeibeamte im Dienst getötet worden, berichtete die «Welt» unter Berufung auf eine Erhebung der Deutschen Polizeigewerkschaft (östliche Bundesländer ab 1991 erfasst), die sich auf Daten der Deutschen Hochschule der Polizei stütze. 2021 habe es laut einer Umfrage in den Landesverbänden der Gewerkschaft keinen «Polizistenmord» gegeben.
Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, sagte der «Neuen Osnabrücker Zeitung», auch eine bessere Schutzausrüstung hätte die Tötung der beiden Polizisten in der Westpfalz nicht verhindern können. «In dem Fall Kusel haben zwei Täter skrupellos und kaltblütig bei einer Fahrzeugkontrolle zwei Polizisten ermordet. Dagegen kann sich Polizei nicht schützen.» Auf die Frage, ob Polizisten künftig Fahrzeugkontrollen mit vorgehaltener Waffe vornehmen sollten, sagte Radek: «Nein, das ist doch keine Lösung.» Die Polizei in Deutschland entspreche dem Idealbild einer bürgernahen, zivilen Polizei, die die Gesellschaft schütze. «Das soll so bleiben.»