Ukraine-Krieg: Darum wollen Russen Selenskyj nicht mehr stürzen
Anders als zu Beginn des Ukraine-Kriegs will Russland den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nicht mehr stürzen. Wie kommt es zu diesem Kurswechsel?
Das Wichtigste in Kürze
- Zu Beginn des Ukraine-Kriegs wollte Moskau den ukrainischen Präsidenten stürzen.
- Nun schlägt der Kreml plötzlich andere Töne an – ein Regimewechsel sei nicht das Ziel.
- Experten zufolge könnte dies mit Verhandlungen über einen Waffenstillstand zusammenhängen.
Vor Monaten hatte Moskau angekündigt, das «Nazi-Regime» um Präsident Wolodymyr Selenskyj in der Ukraine stürzen zu wollen. Nun haben sich Russlands Ziele im Ukraine-Krieg geändert.
Denn: Im Kreml schlägt man plötzlich ganz andere Töne an. Wie Sprecher Dmitri Peskow am Montag erklärte, gehöre ein Regimewechsel in Kiew nicht mehr zu den Zielen der russischen «Spezialoperation».
«Russland ist bestrebt, seine Ziele in der militärischen Sonderoperation zu erreichen. Und diese Ziele können auf unterschiedliche Weise durchgesetzt werden», so Peskow.
Selenskyj scheint also nicht mehr direkt im Visier der Regierung in Moskau zu sein. Der ukrainische Präsident hat sich in letzter Zeit entsprechend häufiger in der Öffentlichkeit gezeigt. So besuchte er etwa Stellungen seiner Armee in Charkiw oder feierte mit seinen Landsleuten in der befreiten Stadt Cherson.
Verhandlungen über Waffenstillstand im Ukraine-Krieg?
Doch wie kommt es zu diesem Kurswechsel Russlands? Zu Beginn des Ukraine-Kriegs sollte Selenskyj entweder getötet oder gefangen genommen werden. Auch eine Flucht aus Kiew wäre aus russischer Sicht ein positives Szenario gewesen.
Aber: «Das Zeitfenster für einen Sturz von Selenskyj hat sich seit langem geschlossen», sagt Russland-Experte Ulrich Schmid von der Universität St. Gallen gegenüber Nau.ch. «Das Eingeständnis des Kremls ist nur eine logische Folge dieser Einsicht.»
Russland könnte damit aber auch Konsequenzen aus den jüngsten militärischen Niederlagen ziehen. «Vielleicht will Wladimir Putin in absehbarer Zeit mit der Ukraine über einen Waffenstillstand verhandeln», vermutet Strategie- und Militärexperte Albert Stahel. Dazu benötige der Kreml-Chef aber den ukrainischen Präsidenten als Verhandlungspartner.
Stahel sieht kaum einen anderen Ausweg als den Waffenstillstand für Russland: «Aufgrund der desolaten militärischen Lage müsste Russland bald in einen Waffenstillstand einwilligen.»