Ukraine-Krieg: «Diese Selenskyj-Reise war gefährlicher als die USA»
Seit dem Ukraine-Krieg hat Präsident Wolodymyr Selenskyj erstmals das Land verlassen. Der Russland-Experte Ulrich Schmid ordnet den Besuch in den USA ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Wolodymyr Selenskyj reiste am Mittwoch in die USA und sprach mit Joe Biden.
- Der ukrainische Präsident wurde im Kongress mit stehenden Ovationen begrüsst.
- Russland-Experte Ulrich Schmid sagt aber: Eine andere Reise war noch gefährlicher.
Wolodymyr Selenskyj wurde am Mittwoch von Präsident Joe Biden in den USA empfangen. Dort sprach er zu Medienvertretern im Weissen Haus und erhielt im US-Kongress eine stehende Ovation für seine Rede.
Es handelte es sich um den ersten offiziellen Auslandsbesuch des ukrainischen Präsidenten, seit Russland den Ukraine-Krieg vor zehn Monaten begann. Die Reise war gefährlich. Der US-amerikanische Politikwissenschaftler James W. Davis warnte: «Ich gehe davon aus, dass es immer Teil der russischen Strategie ist, wenn möglich Selenskyj zu töten.»
Um bei der Reise jegliche russische Sabotage zu vermeiden, waren enorme Sicherheitsvorkehrungen erforderlich.
Geheime Nato-Flotte
Selenskyj reiste laut Medienberichten mit dem Zug am Mittwochmorgen nach Polen ein. Am Flughafen von Rzeszów stieg er in eine Boeing C-40 Clipper der US-Luftwaffe in Richtung Washington.
Eine streng geheime Nato-Flotte, bestehend aus einem deutschen Spionageflugzeug und einem US-Kampfjet, brachten Selenskyj anschliessend sicher zur Joint Base Andrews. Auf US-Boden angekommen, wurde der ukrainische Präsident stets vom Secret Service eskortiert.
US-Bekenntnis zur Demokratie
Wie ist der Besuch und die Reise des ukrainischen Präsidenten trotz Ukraine-Krieg zu deuten? Nau.ch hat bei Ulrich Schmid, Professor für Kultur und Gesellschaft Russlands an der Universität St. Gallen, nachgefragt.
«Selenskyjs Rede vor dem US-Kongress ist ein wichtiges Zeichen für die nachhaltige Unterstützung des Westens für die Ukraine», so Schmid. Selenskyjs Auftritt stehe in einer Reihe mit der Rede Lech Walesas 1989 und der Rede Boris Jelzins im Jahr 1992.
Schmid: «In all diesen Fällen feierten die USA ihr eigenes Bekenntnis zu Demokratie und Freiheit in historischen Entwicklungen Osteuropas.»
Bachmut war gefährlicher
Erstaunlich: Die Reise war zwar gewagt, so der Professor. «Sie ist aber nicht so gefährlich wie Selenskyjs Besuch im umkämpften Bachmut.» Kurz vor seiner Reise in die USA stattete er Soldaten im Ukraine-Krieg einen Besuch ab. Keine Stadt ist derzeit so hart umkämpft wie sie. Das Risiko eines Angriffs auf den Präsidenten war nie grösser.
Mit seiner Rede in den USA habe sich der ukrainische Präsident nun eine überparteiliche Unterstützung der Ukraine durch die Amerikaner gesichert. «Das ist vor allem im Hinblick auf einen möglichen republikanischen Sieg bei den nächsten amerikanischen Präsidentschaftswahlen wichtig», so Schmid.