Untersuchung: Polizeieinsatz bei Sarah-Everard-Mahnwache angemessen
Das Wichtigste in Kürze
- Gemäss Untersuchung sei die Kommunikation zwischen den Beamten unzureichend gewesen.
- Eine «versöhnlichere Reaktion» hätte den Interessen der Polizei wohl besser gedient.
Eine Untersuchung zum Polizeieinsatz bei der Mahnwache für die getötete Sarah Everard in London hat das Vorgehen der Einsatzkräfte als angemessen gerechtfertigt. Scotland Yard habe zu Recht den Standpunkt eingenommen, dass die Gefahr von Coronavirus-Übertragungen zu gross gewesen sei, um sie zu ignorieren, teilte die Aufsichtsbehörde HMICFRS (Her Majesty's Inspectorate of Constabulary and Fire & Rescue Services) am Dienstag mit.
Zugleich hiess es aber, die Kommunikation zwischen den Beamten sei unzureichend gewesen und eine «versöhnlichere Reaktion» hätte den Interessen der Polizei möglicherweise besser gedient.
Der Einsatz der Polizei bei der Mahnwache in dem Park Clapham Common im Süden Londons hatte heftige Kritik auf sich gezogen. Mehrere Hundert Menschen hatten sich trotz Verbots am Abend des 13. März an einem improvisierten Gedenkort für die auf ihrem Nachhauseweg entführte und getötete Frau zusammengefunden.
Mehrere Frauen gewaltsam abgeführt
Die Polizei schritt ein und löste die Versammlung auf. Auf Videos, die in sozialen Netzwerken kursierten, war zu sehen, wie Polizisten mehrere Frauen gewaltsam abführten. Das Foto einer Frau, die von Beamten mit dem Gesicht nach unten zu Boden gedrückt wird, ging um die Welt.
Der Tod von Sarah Everard hatte zu einem landesweiten Aufschrei gegen Gewalt an Frauen geführt. Erst am Tag vor der Mahnwache war der in einem Waldstück in der Grafschaft Kent gefundene leblose Körper der 33-Jährigen identifiziert worden. Damit wurde aus Befürchtungen über ihr Schicksal traurige Gewissheit.
Zuletzt gesehen wurde sie am 3. März in der Nähe von Clapham Common, als sie in der Dunkelheit auf dem Heimweg von einer Freundin war. Unter Tatverdacht steht ein 48 Jahre alter Polizist.
Die Bewegung «Reclaim these Streets», die zunächst zu der Mahnwache aufgerufen hatte, sie aber nach gescheiterten Verhandlungen mit der Polizei wieder absagte, zeigte sich unzufrieden mit dem Untersuchungsergebnis. Sie macht die Polizei dafür verantwortlich, dass die Situation eskalierte und warf den Beamten wie auch den Autoren des Berichts Frauenfeindlichkeit vor.
Kritik an der Verurteilung der Polizei
Heftige Kritik übte der Leiter der Untersuchung an der aus seiner Sicht vorschnellen Verurteilung der Polizei. Er dürfte sich dabei wohl vor allem an Politiker wie den Londoner Bürgermeister Sadiq Khan gerichtet haben.
«Eine Verurteilung der Handlungen der Polizei innerhalb von Stunden nach der Mahnwache - einschliesslich von Leuten in verantwortungsvollen Positionen - war ungerechtfertigt» sagte Inspector of Constabulary, Matt Parr, einer Mitteilung zufolge. Das habe einen «Mangel an Respekt für Staatsdiener» gezeigt und das öffentliche Vertrauen in die Polizei untergraben, so Parr weiter.
Labour-Politiker Khan hatte die Szenen des Polizeieinsatzes noch am selben Abend als «inakzeptabel» bezeichnet. Nach Veröffentlichung des Untersuchungsberichts teilte er mit, er akzeptiere die Ergebnisse.
Es sei aber klar, «dass Vertrauen und Zuversicht bei Mädchen und Frauen in Polizei und Justiz alles andere als ausreichend ist». Er habe die Regierung und Scotland Yard im Vorfeld dazu aufgerufen, einen Weg für die legale Durchführung der Mahnwache zu finden.
Der Streit um die Mahnwache für Sarah Everard ist nur ein Teil der Auseinandersetzung, die sich derzeit in Grossbritannien um die Polizei entbrennt. Mehrere Wochenenden infolge war es zuletzt zu teilweise gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Einsatzkräften in Bristol gekommen.
Der Protest unter dem Motto «Kill the Bill» richtet sich gegen den Entwurf (Bill) eines neuen Polizeigesetzes. Es soll den Beamten mehr Befugnisse zur Einschränkung friedlicher Proteste verleihen, wenn diese beispielsweise eine Lärmbelästigung darstellen. Kritiker sehen in dem Gesetzesvorhaben einen Angriff auf die Versammlungsfreiheit.