Viel Kritik an Tech-Riesen auf der DLD-Konferenz

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Deutschland,

Bei der Digitalisierung ist oft von Chancen die Rede. Doch die globalen Herausforderungen sind riesig. Hass, Fake News und Radikale in der Politik verdanken ihren Aufstieg auch neuer Technik. Bei der DLD-Konferenz gibt es statt der einstigen Euphorie eine Abrechnung.

Die philippinische Journalistin Maria Ressa. Foto: DLD/Hubert Burda Media/dpa
Die philippinische Journalistin Maria Ressa. Foto: DLD/Hubert Burda Media/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Kritiker amerikanischer Technologieriesen haben zum Auftakt der Innovationskonferenz DLD in München eine grundlegende Neuordnung der Digitalwirtschaft gefordert.

Der Europa-Politiker Axel Voss (CDU) warnte, der Kontinent könne zu einer «Digital-Kolonie» der USA oder Chinas werden. Die Menschen sollten Eigentümer ihrer Daten sein - und heutige Schwergewichte, die die Infrastruktur kontrollieren, müssten aufgespalten werden, sagte der Piraten-Politiker und Mitgründer der Website Pirate Bay, Peter Sunde. Die philippinische Journalistin Maria Ressa warf Netzwerken wie Facebook vor, ihre Plattformen förderten den Aufstieg autoritärer Politiker.

Ressa berichtet über Menschenrechtsverletzungen im sogenannten Anti-Drogen-Krieg der philippinischen Regierung. Sie wurde in den vergangenen Jahren festgenommen und bedroht. Facebook gebe Regimekritikern zwar auch die Möglichkeit, ihre Botschaften zu veröffentlichen. Aber: «Wut und Hass verbreiten sich schneller.» Diese Einschätzung unterstützte der US-Forscher Sinan Aral, der ein umfassendes Archiv von Twitter-Beiträgen ausgewertet hatte. «Gefälschte News haben sich schneller und weiter verbreitet als echte Nachrichten», resümierte er.

Voss, der eine zentrale Rolle bei der umstrittenen Reform des EU-Urheberrechts gespielt hatte, bemängelte unter anderem, dass aus Europa kein eigener Webbrowser oder eine Internet-Suchmaschine kämen. «Wenn Google morgen beschliesst, seine Dienste für Europa abzuschalten, was würden wir auf dem Bildschirm sehen?», sagte Voss. Sunde beklagte die Naivität der Web-Pioniere, die eine utopische Vorstellung von einer freien globalen Netz-Community gehabt hätten. In Wirklichkeit habe sich herausgestellt, dass das Internet dann von denen kontrolliert werde, die über Infrastruktur verfügten.

Die Computerwissenschaftlerin Joy Buolamwini warnte, Diskriminierung und Rassismus im Alltag spiegelten sich auch in künstlicher Intelligenz wider - und könnten bestehende Vorurteile verfestigen. Das sei aus verschiedenen Gründen eine Gefahr. Buolamwini gründete in den USA eine Organisation, die sich dem Kampf gegen Ungerechtigkeit in Algorithmen widmet - die Algorithmic Justice League.

«Zusammen mit meinen Kollegen wollte ich herausfinden: Wie gut können Services wie IBM, Microsoft oder Face++ das Geschlecht eines Gesichts erraten», sagte Buolamwini in München. Dabei sei herausgekommen: Am wenigsten gut funktionieren die Systeme bei schwarzen Frauen. Es gebe Anbieter, die ihre Fähigkeiten Behörden zur Verfügung stellen, um bestimmte ethnische Gruppen in Videos zu identifizieren. Auch das könne Rassismus fördern, sagte Buolamwini. Seit ihrer ersten Studie 2018 hätten etliche Firmen an ihren Programmen gearbeitet.

Die jährlich vom Medienkonzern Burda veranstaltete DLD-Konferenz (Digital Life Design) will eine Brücke zwischen Technologie, Wirtschaft und Kultur schlagen. Zu den zentralen Themen gehören in diesem Jahr der Klimawandel, künstliche Intelligenz und Quantencomputer. Das Motto ist diesmal «What are you adding?» - etwa: «Was bringst Du ein?». Die Frage soll zur aktiveren Beteiligung am aktuellen Wandel durch die Digitalisierung animieren.

Das diesjährige Motto sei ihm zunächst fast ein bisschen aggressiv vorgekommen, sagte der Chef der Burda Media Group, Paul-Bernhard Kallen, bei der Eröffnung der seit Jahren auch weltweit beachteten Veranstaltung am Samstag. Doch da man über Gefahren für unsere Demokratien sprechen müsse, sei das Motto genau richtig. Es gehe darum, was jeder tun könne. Das gelte für viele der grossen Probleme, egal ob für den enormen Hass in sozialen Netzwerken oder den Klimawandel.

Es gebe so viel Kreativität, Intelligenz und - nicht zu vernachlässigen - jede Menge Geld in der Digitalbranche, sagte Clara Barnett, die für den Digital Service der britischen Regierung arbeitet. Und doch sei vieles im Internet ein ermüdender Strom endloser Produktwerbung oder ständiger Aufforderungen zur Selbstverbesserung, der die Menschen erreiche. «Wir müssen einen Schritt zurücktreten.»

Auch Bayerns Digitalministerin Judith Gerlach forderte, ein anderes Bewusstsein für die Probleme. «Wir müssen unser eigenes Verhalten überdenken.» Zugleich biete die Digitalisierung genau die Möglichkeiten, die für die Lösung vieler Probleme nötig seien - und das nicht nur im globalen Massstab.

Unter den weiteren Teilnehmern sind bis Montag Snapchat-Mitgründer Evan Spiegel, Facebooks Politik-Chef Nick Clegg, Wikipedia-Gründer Jimmy Wales, der Ex-Schachweltmeister und Putin-Kritiker Garry Kasparow sowie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

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