Vor erwarteter Räumung: Aufgeheizte Stimmung in Lützerath
Die Räumung des kleines Ortes Lützerath kann jederzeit losgehen. Aachens Polizeipräsident rechnet mit bis zu vier Wochen Dauer. Polizeikräfte aus dem ganzen Bundesgebiet werden beteiligt sein.
Das Wichtigste in Kürze
- Vor der heute erwarteten Räumung im rheinischen Braunkohleort Lützerath ist die Stimmung unter den Klimaaktivisten aufgeheizt.
Die Polizei hatte dort gestern ihre Vorarbeiten fortgesetzt und von den Protestgruppen errichtete Barrikaden auf der Strasse zu dem Ort abgeräumt. Die Klimaaktivisten bildeten Menschenketten und richteten eine Sitzblockade ein.
Nach Angaben der Aachener Polizei soll der Einsatz frühestens heute beginnen. «Wir planen mit bis zu vier Wochen, hoffen aber, dass es nicht ganz so lange dauert», sagte Aachens Polizeipräsident Dirk Weinspach am Dienstagabend in Erkelenz. Lützerath ist ein Ortsteil der 43.000-Einwohner-Stadt im Westen von Nordrhein-Westfalen. Der inmitten von Feldern gelegenen Weiler befindet sich inzwischen unmittelbar an der Kante des Braunkohletagebaus Garzweiler. Die darunter liegende Kohle soll zur Stromgewinnung gefördert werden.
Klimaschützer fordern Moratorium
Bei einer Informationsveranstaltung über den Einsatz in Erkelenz meldeten sich am Dienstagabend unter den rund 300 Teilnehmern vor allem Vertreter örtlicher Klimaschutz-Initiativen, die den Tagebau strikt ablehnen. Sie forderten angesichts des bevorstehenden Räumungsbeginns ein Moratorium und zogen die Gutachten in Zweifel, auf die sich die Inanspruchnahme des Ortes für den Braunkohletagebau stützt. Anwohner der Nachbardörfer beschwerten sich über Hubschrauber der Polizei, die dicht über ihre Häuser flogen. Auch das Auftreten eines privaten Sicherheitsdienstes wurde kritisiert.
Die bevorstehende Räumung des Protestdorfs ist nach Einschätzung von Polizeipräsident Weinspach einer der herausforderndesten Einsätze der letzten Jahre. Die Polizei erhält dafür Unterstützung aus dem ganzen Bundesgebiet. Aktivisten haben etwa 25 Baumhäuser errichtet, einige davon in grosser Höhe.
Sorge um Zusammenstösse mit Polizei
Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) sorgte sich vorab um die Sicherheit der Einsatzkräfte. «Wir haben in Lützerath einen gewissen Anteil an gewaltbereiten Aktivisten. Ihre Anzahl schwankt aktuell täglich», sagte Reul der «Rheinischen Post». «Daher ist ein solcher Einsatz für die Polizei immer gefährlich, und ich mache mir auch ständig Gedanken um die Sicherheit unserer Beamten.» Die Einsatzkräfte seien aber gut geschult und ausgebildet. Logistisch und personell sei die Polizei gut vorbereitet.
Er führte aus: «Wir wissen nicht, was die Polizistinnen und Polizisten in den Häusern in Lützerath erwartet. Gibt es Fallen oder andere Barrikaden, die wir von aussen nicht sehen? Wir wissen auch nicht, wie viele Menschen sich den Einsatzkräften in den Weg stellen werden.» Reul fügte hinzu: «Vorsicht ist das Gebot dieser Tage.»
Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt mahnte einen friedlichen Protest an. Dieser dürfe sich «durch unbedachte Aktionen nicht delegitimieren», sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Zugleich verteidigte sie die Beharrlichkeit der Klimaaktivisten. «Die Protestierenden in Lützerath oder auf den Strassen als Verrückte zu brandmarken, sie zu Kriminellen zu machen, ist inakzeptabel.»
Gelände und Häuser gehören RWE
Die von den Grünen geführten Wirtschaftsministerien in Bund und Land NRW haben mit dem Energiekonzern RWE einen auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg vereinbart. Ausserdem sollen fünf bereits weitgehend leerstehende Dörfer am Tagebau Garzweiler in der Nachbarschaft von Lützerath erhalten werden. Der kleine Ort Lützerath an der Kante des Tagebaus darf abgebaggert werden. Gelände und Häuser gehören seit langem RWE. Die juristischen Auseinandersetzungen sind in letzter Instanz geklärt.
Wegen der derzeitigen Energiekrise wurde die Stromerzeugung mit Braunkohle für das europäische Stromnetz zuletzt wieder ausgeweitet. Im Rheinland gibt es mit Hambach und Inden zwei weitere Braunkohletagebaue.