WHO kämpft gegen absurde Coronavirus-Gerüchte
Das Wichtigste in Kürze
- Als wäre der weltweite Einsatz gegen die Ausbreitung des neuen Coronavirus nicht schon genug, kämpft die Weltgesundheitsorganisation (WHO) an einer zweiten Front: die massenhafte Verbreitung abstruser Gerüchte.
Verschwörungstheorien über die Herkunft und Verbreitungsweise von Sars-CoV-2 und das Anpreisen zweifelhafter Schutz- und Heilmittel sind nicht nur ärgerlich. «Falsche Informationen bei Epidemien mit ansteckenden Krankheiten können die Ausbrüche schlimmer machen», schreibt Paul Hunter. Das Fazit seiner Studien an der englischen Universität East Anglia: «Es kann Leben retten, die Verbreitung von falschen Informationen und schädlichen Ratschlägen auf sozialen Medien zu unterbinden.»
Das Coronavirus, das die neue Lungenkrankheit Covid-19 auslösen kann, sei eine Biowaffe und komme in absichtlich verbreiteten Infektionswolken auf die Menschen nieder, lautet eines der abstrusen Gerüchte in sozialen Medien. Oder: Die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung habe es geschaffen, wohl um irgendwie von der Produktion von Impfstoff zu profitieren. In Indien schwadronierten sogar Wissenschaftler über Bestandteile des Virus, die angeblich Ähnlichkeiten mit dem Aids-Erreger HIV aufwiesen und keine Laune der Natur sein könnten - mit anderen Worten, von Menschenhand hinzugefügt sein müssten. Die Studie wurde inzwischen zurückgezogen.
Kampf gegen die «Infodemie»
«Uns macht die hohe Zahl von Gerüchten und Falschinformationen Sorge, die unseren Einsatz behindern», sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Wochenende auf der Münchner Sicherheitskonferenz. «Wir kämpfen nicht nur gegen eine Epidemie, sondern auch gegen eine Infodemie. Fake News verbreiten sich schneller und einfacher als dieses Virus, und sie sind genauso gefährlich.»
Der Mediziner Hunter schreibt, falsche Informationen führten dazu, dass Menschen sich weniger schützen und grössere Risiken eingehen. So seien falsche Angaben der Anti-Impflobby für den weltweiten Anstieg der Maserninfektionen mitverantwortlich. Andere Studien zeigten die Folgen von Gerüchten während des Ebola-Ausbruchs in Westafrika 2014: Da wurden online Ängste geschürt, die Menschen dazu brachten, auf derselben Webseite gleich Schutzanzüge zu bestellen - nur taugten die als Schutz vor Ansteckung gar nicht.
Bei der WHO kümmert sich ein Team darum, falschen Informationen in sozialen Medien sofort etwas entgegenzusetzen. Die UN-Behörde ist bei Twitter und anderswo mit Schaubildern aktiv. Zum Beispiel zu Rezepten, denen zufolge acht Knoblauchzehen auf sieben Tassen Wasser eine Infektion heilen können. Knoblauch sei zwar gesund, aber es gebe keine Hinweise, dass er vor einer Coronavirus-Infektion schütze, kontert die WHO. «Tötet man das Virus, wenn man sich am ganzen Körper mit Alkohol oder Chlor besprenkelt?» Nein, schreibt die WHO. Damit könnten Tische und ähnliches desinfiziert werden, aber ein Eindringen des Virus in den Körper verhindere das nicht.
Zum Umgang mit Stress in dieser Zeit schreibt die WHO: «Sie können Aufregung und Sorgen verringern, wenn Sie und Ihre Familie weniger Zeit mit Medienberichten verbringen, die sie beunruhigen.»
Zusammenarbeit mit Tech-Konzernen
Die WHO geht auch direkt auf Social-Media-Unternehmen zu. Tedros nannte unter anderem Facebook, Google, Pinterest, Twitter, YouTube. Wer «Coronavirus» googelt, bekommt als Top-Ergebnisse Informationen der WHO. Wer bei Pinterest nach «Coronavirus» sucht, bekommt als erstes die Schaubilder der WHO, die mit Mythen und Märchen aufräumen.
Facebook (FB) ist auch im Boot. Faktenchecker seien aktiv auf der Suche nach Gerüchten über das Coronavirus, schrieb der FB-Verantwortliche für Gesundheit, Kang-Xing Jin, in einem Blogpost. «Wenn sie eine Informationen als falsch einstufen, begrenzen wir die Verbreitung auf Facebook und Instagram», schrieb er.
Die WHO will zudem Amazon dazu bewegen, Käufern bei der Suche etwa nach Gesichtsmasken gleich akkurate Information über das Virus mitzuliefern. Auch Webseiten etwa des Zimmervermittlers Airbnb könnten Reisehinweise mitliefern, findet die WHO. Gespräche laufen.
«Wir rufen alle Regierungen, Unternehmen und Medienorganisationen auf, die Menschen in angemessenem Umfang zu alarmieren, aber ohne die Flammen der Hysterie anzufachen», sagte Tedros in München.