Wie gierige Möwen vertrieben werden
Sie kommen von hinten und schwupp - schon ist das Fischbrötchen weg. Immer wieder luchsen Möwen etwa an Promenaden und Stränden Touristen Leckerbissen aus der Hand. Kommunen haben kreative Ideen, wie sie die Tiere vertreiben wollen. Aber hilft das langfristig?
Das Wichtigste in Kürze
- Kaum haben es sich Urlauber mit einem Eis oder einem Fischbrötchen auf der Promenade gemütlich gemacht, kommen die gefiederten Mitesser.
In kühnem Flug stürzen sie sich auf die Menschen, um ihnen blitzschnell die Mahlzeit zu entreissen. Um die Möwen auf Abstand zu halten, lassen sich Gemeinden an der Küste allerlei Tricks einfallen - mit mehr oder weniger grossem Erfolg.
So versucht das Ostseebad Kühlungsborn in Mecklenburg-Vorpommern, die Möwen mit ihren eigenen Panikschreien zu vergrämen. Die Gemeinde hat auf dem Dach der Konzerthalle West einen Lautsprecher samt Bewegungsmelder installiert. «Sobald der mehrere Möwen registriert, werden die Schreie abgespielt», sagt Bürgermeister Rüdiger Kozian (parteilos). «Das verscheucht die Vögel zumindest für einige Zeit».
Akustik, Fütterungsverbot und bunte Wimpel
Auch auf der Nordseeinsel Sylt hat die Gemeinde versucht, die gefiederten Diebe akustisch zu vertreiben. «Das hatte allerdings nur mässigen Erfolg», sagt Bürgermeister Nikolas Häckel. Stattdessen setzt die Gemeinde auf der Promenade auf ein Fütterungsverbot.
Auf Deutschlands einziger Hochseeinsel Helgoland setzt man noch auf eine weitere Methode der Vergrämung. «Bei uns werden quer über die Strassen Wimpel in den Helgoland-Farben aufgehängt, die einen Grossteil der Möwen fern halten», sagt Stephan Hauke vom Helgoland Tourismus-Service. «Ausserdem verteilt ein Gastronom für den Aussenbereich kleinere «Regenschirme», die über den Speisen aufgespannt werden, um die hungrigen Möwen fernzuhalten», sagt er. «Dieses System scheint sich sehr gut zu bewähren.»
Auch die Ostseeinsel Fehmarn kennt das Problem der gierigen Möwen. «Neben Pommes und Fischbrötchen stehen bei uns auch süsse Crêpes auf dem tierischen Speiseplan», sagt Fehmarns Tourismuschef Oliver Behncke. «Wir weisen an verschiedenen Stellen auf ein Fütterungsverbot hin, das wird aber leider nicht immer beachtet.»
Überfälle nicht immer verletzungsfrei
«Die Vögel fliegen von hinten an die Menschen heran, verharren noch kurz in der Luft, um sich dann auf die Esswaren zu stürzen», schildert Behncke die Jagdmethode der Möwen, die scheinbar von Generation zu Generation weitergegeben würde. «Diese Überfälle gehen nicht immer verletzungsfrei vonstatten.»
Schuld daran sind aber nicht nur die Vögel. «Die Möwen haben in der Vergangenheit gelernt, dass es von Menschen Futter gibt», erklärt der Sprecher des Naturschutzbundes Deutschland in Schleswig-Holstein, Ingo Ludwichowski. «Das Problem ist, dass die Vögel nicht unterscheiden können, wann das leckere Fischbrötchen für sie bestimmt ist und wann der Mensch es selbst essen will.»
Auch auf Föhr komme es immer wieder vor, dass Menschen ihr Essen unfreiwillig mit Möwen teilen müssten, sagt Anna-Katharina Preissler von der Föhr Tourismus GmbH. Vergrämungsmassnahmen oder ein Verbot, Möwen zu füttern, gebe es nicht. «Aber an einem Fischbrötchenstand im Hafen weist der Verkäufer bei fast jedem verkauften Brötchen darauf hin, dass man gut auf sein Essen aufpassen sollte», sagt Preissler.
Geldbussen wegen Fütterung möglich
An der niedersächsischen Nordseeküste ist das Füttern von Möwen nicht gern gesehen. In Bremerhaven und Cuxhaven gibt es sogar Fütterungsverbote. Verstösse seien eine Ordnungswidrigkeit und könnten mit einer Geldbusse von bis zu 5000 Euro geahndet werden, teilt etwa Cuxhavens Stadtsprecher Marcel Kolbenstetter mit. Richtige Probleme mit Möwen wie etwa an der Ostsee melden niedersächsische Küstenorte aber nicht - Vergrämungsmassnahmen kommen deshalb kaum zum Einsatz.
Um zu vermeiden, dass Möwen gelbe Säcke aufpicken und im Müll nach Fischbrötchen-Resten suchen, tauscht die Stadt Wilhelmshaven Abfallbehälter aus. Die neuen Behälter sollen den Vögeln den Zugang erschweren. Auch wenn Möwen zunehmend als Problem wahrgenommen würden, aus Naturschutzsicht könne es kein «zu viel» der Tiere geben. «Alle hier vorkommenden Möwenarten sind durchweg als heimische Vogelarten geschützt», betont eine Stadtsprecherin.
Das bestätigt auch die Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer auf Anfrage. An Fischbuden etwa, wo viele Möwen gern auf leichte Beute lauern, könne schnell der Eindruck entstehen, es gebe besonders viele Möwen, erklärt Sprecherin Imke Zwoch. Tatsächlich müsse aber der Bestand genauer nach Arten betrachtet werden. Bei den Brutbeständen für die Silbermöwe beispielsweise registrierte die Nationalparkverwaltung zuletzt einen deutlichen Rückgang. Während es 1995 an Niedersachsens Küste noch mehr als 35.000 Silbermöwen gab, waren es 2020 nur noch rund 6200.
Den Rückgang führt die Nationalparkverwaltung auch auf eine andere Art der Müllentsorgung zurück. Heutzutage gebe es etwa deutlich weniger offene Mülldeponien, die die Silbermöwen einst als Nahrungsquellen nutzten, sagt Zwoch.
Gegen aufdringliche Möwen helfe vor allem, was im gesamten Nationalpark gelte, nämlich: «Die Natur Natur sein lassen». Möwen sollten möglichst nicht angelockt werden - etwa durch das Füttern mit Pommes. «Wasservögel und Seevögel brauchen nicht künstlich gefüttert werden.»