Mobil-Shopper bringen Zalando ins Schwitzen
Wer Mode kauft, soll an Zalando so wenig vorbei kommen wie manche Musik- und Filmfreunde an Spotify und Netflix - so das Langfrist-Ziel des Online-Händlers. Kurzfristig gibt es andere Herausforderungen.
Das Wichtigste in Kürze
- Der neue Rock? Bestellt beim U-Bahn-Fahren.
Die Sneaker? Aus dem Hörsaal geordert. Eben erst entdeckt, schon gekauft: Immer mehr Kunden kaufen Klamotten per App und nicht mehr am heimischen Computer.
Das spürt auch Deutschlands grösster Online-Modehändler Zalando. 44 Prozent der Bestellungen kommen inzwischen von Handy oder Tablet. Der Sofort-Trend stellt die Berliner vor Herausforderungen. Genauso die Paketdienste. Und die Umwelt.
Denn die Bestellungen werden kleiner, aber auch mehr. 116 Millionen Pakete hat Zalando im vergangenen Jahr europaweit verschickt, gut ein Viertel mehr als im Vorjahr. «Die Leute werden aktiver, sie bestellen häufiger», sagte Vorstandsmitglied Rubin Ritter am Donnerstag. Wer 2018 bei Zalando einkaufte, orderte schon durchschnittlich 4,4 mal (Vorjahr: 3,9).
Auch das trug dazu bei, dass Zalando gegen Jahresende noch die Kurve kriegte. Im heissen Sommer 2018 war man auf vielen Angeboten sitzen geblieben, erst das Weihnachtsgeschäft und Rabattschlachten wie der «Black Friday» führten in die Gewinnzone zurück. Unterm Strich stand 2018 ein Plus von 51,2 Millionen Euro, halb so viel wie 2017.
«Der durchschnittliche Warenkorb wird kleiner», erklärte Ritter. 61 Euro waren es 2018 noch, fünf Prozent weniger als im Vorjahr. In Italien hat Zalando schon einen Mindestbestellwert eingeführt. «Wir werden mehr tun, um dagegenzuhalten», kündigte Ritter. Die Logistik solle weiter verbessert werden, um den Trend in den nächsten Jahren zumindest zu bremsen.
Eine Mindestbestellmenge helfe nicht gegen schrumpfende Warenkörbe, sagte der Aktionärsvertreter Michael Kunert von der Schutzvereinigung deutscher Kapitalanleger. «Die Kunden sind ja nicht doof.» Man bestelle dann einfach mehr und schicke die nicht benötigten Artikel wieder zurück. «Das Problem sind die kostenlosen Retouren.» Kunert fordert, dass es Gratis-Rücksendungen nur noch für Kunden gibt, die im Jahr ein bestimmtes Bestellvolumen erreichen.
Die Paketflut fordert die ganze Branche. Besonders die letzten Meter zum Kunden werden durch die Menge nicht einfacher. «Vielleicht müssen wir anders darüber nachdenken, wie wir die Pakete auf die letzte Meile bringen», sagte Ritter. Man arbeite eng mit den Paketdiensten zusammen. Auch die eigenen Zustellnetze in einer Reihe von Städten mit örtlichen Partnern sollen ausgebaut werden, genauso die Lieferung am selben Tag.
Jedes Mal, wenn der Paketbote die Sendung wieder mitnehmen muss, belastet es unnötig das Klima. Im vergangenen Jahr verursachte der Zalando-Handel insgesamt nach Unternehmensberechnungen rund 247.000 Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid (CO2), ein Fünftel mehr als im Vorjahr. Mehr als 60 Prozent davon wurden bei der Lieferung an die Kunden in die Luft geblasen.
Zwar gelang es, den CO2-Ausstoss pro Sendung zu senken. Ob auch die Retouren zurückgingen, verrät der Geschäftsbericht nicht. Nur dass Kunden 2018 die Hälfte des Verpackungsmaterials zurückgeschickt haben. «Wir arbeiten daran, unseren ökologischen Fussabdruck von unserem wirtschaftlichen Wachstum zu entkoppeln», wird versichert.
Effizienter soll der Paketversand insgesamt auch durch die Plattform-Strategie von Zalando werden, der Direktvermarktung von Modemarken über den Shop. Zalando bündelt deren Lieferungen mit den eigenen. 6,6 Milliarden Euro liessen die Kunden 2018 auf der Plattform aus. Dabei lag der Umsatz von Zalando selbst bei 5,4 Milliarden Euro und damit 20 Prozent höher als im Vorjahr.
Was der Konzern mit der Plattform bezweckt: Wer an Fashion denkt, soll zuerst an Zalando denken. Das Netflix oder Spotify des Modehandels zu werden, das schwebt dem Vorstand vor. 2019 will Zalando den eigenen Umsatz wieder um gut 20 Prozent steigern. Das Plattformgeschäft soll sich in fünf Jahren verdreifachen.
In Berlin präsentierte Zalando am Donnerstag seine neue Konzernzentrale. In den Neubau in einem Büroviertel in Friedrichshain sollen demnächst 2400 Beschäftigte einziehen. Insgesamt arbeiten in der Hauptstadt gut 6000 Frauen und Männer für das 2008 gegründete Unternehmen. Europaweit sind es 15.600 Beschäftigte, gut 500 mehr als vor einem Jahr.
Der dreiköpfige Vorstand mit den Chefs Ritter, David Schneider und Robert Genz wird nun erweitert - um den langjährigen Zalando-Manager David Schröder als Finanzchef und für die Technik den Informatiker Jim Freeman, der 2018 von Amazon kam. Schneider sagte, Zalando fördere Frauen in Führungspositionen. Für diese Rollen seien Schröder und Freeman aber die besten Kandidaten.