Zu viele Infos über Babyernährung können Eltern verwirren

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Deutschland,

Ab welchem Monat soll das Baby seinen ersten Brei bekommen? Welches Gemüse darf das erste sein? Etliche Fragen wie diese beschäftigen junge Eltern. An Informationen mangelt es nicht - im Gegenteil. Doch gerade diese Flut verwirrt viele Eltern.

Babynahrung
Ein Kleinkind wird gefüttert. (Archivbild) - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Sich über die richtige Babyernährung zu informieren scheint heute leichter denn je.

Neben Tipps von Hebammen und Ärzten sowie massenhaft Ratgeber-Büchern gibt es etliche andere Quellen etwa im Internet.

Doch gerade die Fülle hat auch Tücken. «Es gibt Tausende von Büchern, die heutzutage jeder im Eigenverlag herausbringen und vermarkten kann. Dazu beschäftigten sich viele, oft sehr erfolgreiche Influencer mit dem Thema. Leider haben nicht alle eine entsprechende Ausbildung und geben das Richtige weiter», sagt die 36-jährige Bloggerin Jenny Böhme. «Die Spreu vom Weizen zu trennen ist da für frischgebackene Eltern sehr schwer.»

Sie wollte bei ihrem ersten Kind alles richtig machen: «Ich habe viel recherchiert, Bücher gelesen und im Netz gesucht, doch 2011 gab es da noch nicht so viele Informationen», erzählt die dreifache Mutter aus Rothenburg in Sachsen. Sie habe selbst viel ausprobiert und ihre Breirezepte schliesslich in einem Familienkochbuch im Internet festgehalten. «Das Thema interessiert viele Mamas», so die Betriebswirtin, die eine Weiterbildung zur Ernährungsberaterin absolviert hat. Ihre beiden Blogs werden ihren Angaben zufolge im Schnitt eine Million Mal pro Monat abgerufen.

Keine einheitliche Meinung unter Ärzten

Eine Befragung von 560 Kinderärzten in den USA zeigte kürzlich, dass auch unter ihnen keine einhellige Meinung herrscht. Etwa wenn es um die Frage geht, wie gross der zeitliche Abstand zwischen der Gabe neuer Lebensmittel sein sollte - etwa um Unverträglichkeiten besser erkennen zu können. «Nur zwei von fünf Ärzten halten sich an die gängigen Richtlinien, drei bis fünf Tage zu warten», sagt die Chicagoer Kinderärztin und Hauptautorin der , Waheeda Samady. Mehr als die Hälfte der Ärzte gab demnach an, Bedarf an einer Weiterbildung zum Thema zu haben.

Regina Ensenauer, Leiterin des Instituts für Kinderernährung in Karlsruhe, hält die Ergebnisse für «extrem spannend». «Die Studie zeigt die Diskrepanz zwischen den Leitlinien und dem, was die praktisch tätigen Kinderärzte empfehlen», so die Ernährungsexpertin. «Man müsste eigentlich auch in Deutschland genauer untersuchen: Was machen die Eltern, was empfehlen die Pädiater?». In der Kinderärzte-Ausbildung spiele die Kinderernährung kaum eine Rolle. Später im Beruf müssten sie trotzdem auch Ernährungsberatung leisten.

«Wir sagen Eltern inzwischen, dass sie keine wahnsinnigen Abstände einhalten und sich auch nicht Tage oder Wochen durch einen Brei durchkämpfen müssen, den das Kind vielleicht nicht mag, sondern dass sie ein neues Gemüse nehmen können», sagt Jakob Maske, Berliner Kinderarzt und Sprecher beim Verband der Kinder- und Jugendärzte. In früheren Jahren seien die Empfehlungen strikter gewesen. «Wir sind deutlich weniger streng geworden. Es hat sich gezeigt, dass die Abwechslung und die frühe Zufütterung Allergien unter Umständen vorbeugen», so der Arzt.

Eine weit verbreitete Empfehlung kommt vom Forschungsdepartement Kinderernährung der Universitäts-Kinderklinik Bochum. In einem Baukastensystem werden nach dem Plan nach und nach verschiedene Breie eingeführt. Doch was, wenn das Baby mit fünf oder sechs Monaten keinen Brei, sondern weiter nur Milch will? So manche Mutter verunsichert das. Internetgruppen sind voll mit Fragen Rat suchender Frauen.

Bauchgefühl wird abtrainiert

«Das Problem ist, dass man zu sehr auf Zeitpläne schaut und dadurch leicht sein Bauchgefühl und die Bedürfnisse des Kindes ausser Acht lässt», sagt Aleyd von Gartzen, Beauftragte für Stillen und Ernährung beim Deutschen Hebammenverband. Tendenziell werde Frauen das Bauchgefühl schon während Schwangerschaft und Geburt abtrainiert. «Es gibt so viel Intervention und eine Frau bekommt vermittelt: Ohne Hilfe von Aussen geht gar nichts», sagt sie. Nach der Geburt seien die Mütter dann auf sich gestellt.

Für die Babys sei die Umstellung vom Stillen auf das Füttern von Brei durchaus schwierig, erklärt von Gartzen. «Beim Stillen können sie selbstbestimmt sein, nun sollen sie plötzlich passiv dasitzen und die Arme stillhalten.» Weil viele Kinder das nicht wollen und Eltern ihren Säuglingen mehr Eigenständigkeit zugestehen, ist auch hierzulande der Ernährungstrend «Baby-led Weaning» seit Jahren im Kommen.

Statt Brei kommen mundgerechte Stückchen von gedünstetem Gemüse oder auch Obst auf den Teller, die das Baby selbst mit den Fingern zum Mund führen kann. «Die Babys bestimmen selbst, was und wie viel sie essen», sagt von Gartzen. «Wenn Sie Ihrem Kind gesunde und ausgewogene Nahrungsmittel anbieten und es weiterhin nach Bedarf stillen/Flasche geben, dann holt es sich die Nährstoffe, die es braucht.»

Doch der Trend hat nicht nur Befürworter. «Natürlich kriege ich ein Kind auch mit Baby-led Weaning gross. Doch es besteht die Gefahr, dass grössere Essensteile in die Luftröhre gelangen und die Kinder sich verschlucken. Das kann gefährlich sein. Wir würden es daher nicht empfehlen», sagt Kinderarzt Jakob Maske.

«Die Mengen sind nicht so signifikant hoch, dass die Nährstoffe, die das Kind zusätzlich zum Stillen braucht, abgedeckt werden können», meint Regina Ensenauer. Fingerfood sei zusätzlich zu Breien zu empfehlen. «Es gibt keine Langzeitdaten. Aber wir gehen davon aus, dass man Babys dadurch auch früh sensorisch an vielfältige Lebensmittel gewöhnen könnte und das Kind dadurch besseren Zugang zu Vielfalt gewinnen kann», so die Wissenschaftlerin. Es bestehe aber insgesamt noch viel Forschungsbedarf. Es sei wenig bekannt über die Langzeitauswirkungen bei der Babyernährung und die Effekte von verschiedenen Nahrungsmitteln.

Die Bloggerin Jenny Böhme sagt: «Mein bisheriges Fazit: Eigentlich ist alles egal. Wir mischen bunt. Nur Honig gibt es nicht. Und noch keine Kuhmilch», sagt sie. «Die Babys halten sich eh nicht an die Pläne. Jedes Kind isst anders.»

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