Bildung, nicht Geld entscheidet darüber, ob jemand sportlich ist
Für die spätere Sportlichkeit sind die sozio-ökonomischen Bedingungen verantwortlich, unter denen ein Mensch aufwächst.
Das Wichtigste in Kürze
- Für Genfer Forscher sind eher kulturelle als ökonomische Faktoren entscheidend.
- Arme Mädchen sind demnach zudem weniger aktiv als Jungs aus ihrer Schicht.
Die sozio-ökonomischen Bedingungen, unter denen jemand aufwächst, entscheiden über seine spätere Sportlichkeit. Genfer Forscher weisen nun nach, dass dies eher kulturell als ökonomisch bedingt ist. Arme Mädchen sind zudem weniger aktiv als Jungs aus ihrer Schicht. Die Forschenden analysierten die Daten von 56'000 Personen aus einer europäischen Datenbank.
Als kulturelle Indikatoren zur Unterscheidung von Privilegierten und Benachteiligten dienten ihnen die Anzahl Bücher im Haushalt im Alter von zehn Jahren und der Beruf der Eltern. Indikatoren über das ökonomische Niveau waren Überbelegung des Haushalts - Anzahl Personen im Verhältnis zur Anzahl Zimmer - und die Qualität der Unterkunft.
Im Vergleich wurde festgestellt, dass eher das kulturelle als das materielle Niveau über die spätere körperliche Aktivität entscheidet. Materielle Indikatoren spielten «keine entscheidende Rolle», sagt Aïna Chalabaev, Professorin an der Universität Grenoble, die in dieser Studie mit der Universität Genf (UNIGE) kooperierte. «Kulturelle Indikatoren hatten dagegen einen echten Einfluss auf die körperliche Aktivität im Erwachsenenalter».
Geschlecht ebenfalls entscheidend
Ebenfalls entscheidend für die spätere Sportlichkeit war das Geschlecht: 27,8 Prozent der Männer, die in höheren sozialen Schichten aufgewachsen sind, bewegen sich zu wenig. Bei ihren Geschlechtsgenossen, die in benachteiligten Verhältnissen aufwuchsen, waren es 31,1 Prozent. Der Unterschied beträgt demnach nur 3,3 Prozentpunkte.
Bei den Frauen klafft die Schere zwischen Reich und Arm weiter auseinander und differiert um 8,3 Prozentpunkte: 29,6 Prozent der Frauen, die in privilegierten Verhältnissen aufwuchsen, bewegen sich zu wenig, bei ihren Geschlechtsgenossinnen aus benachteiligten Schichten sind es 37,9 Prozent.
«Diese Studie bestätigt eine Theorie des Soziologen Pierre Bourdieu», erläutert Studienleiter Boris Cheval vom Zentrum für Affektive Wissenschaften der UNIGE (CISA). «Er erklärt, dass in benachteiligten sozialen Schichten die körperlichen Aktivitäten in der Kindheit auf Wettbewerb und Männlichkeit ausgerichtet sind, wie Fussball und Basketball. In den privilegierteren Schichten hingegen sind diese Aktivitäten weniger geschlechtsspezifisch, wie Tennis, Golf oder Tanz».
Gemäss Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind mehr als 80 Prozent der Jugendlichen weltweit nicht ausreichend körperlich aktiv. Dieser Mangel an körperlicher Betätigung wird mit einem Anstieg der Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und sogar bestimmten Krebsarten in Verbindung gebracht.
Darüber hinaus schätzt die WHO, dass körperliche Inaktivität alle sechs Sekunden zu einem Todesfall führt, was etwa 5,3 Millionen Todesfällen pro Jahr entspricht.