Coronavirus: Chinesischer Impfstoff laut Experten «bedenklich»
Das Wichtigste in Kürze
- Die chinesische Firma CanSino Biologics ist mit ihrem Coronavirus-Impfstoff relativ weit.
- Experten äussern jedoch wegen Nebenwirkungen Zweifel an der Covid-19-Vakzine.
- Auch die Impfstofftechnologie und die Interpretation der Daten seien «bedenklich».
Vor einigen Tagen veröffentlichte das Fachblatt «Lancet» die erfreuliche Studie mit 108 Freiwilligen aus China: Ein Coronavirus Impfstoff zeigte sich in ersten Tests nicht nur als verträglich, sondern löste auch eine messbare Immunreaktion aus.
Das behaupteten zumindest die verantwortlichen Forscher der Firma CanSino Biologics. Doch in einem Kommentar im «New England Journal of Medicine» äussern Experten nun aber erste Kritik.
Und zwar an der Impfstofftechnologie, der Interpretation der Daten und der Entscheidung, den Impfstoff für die zweite Prüfphase zuzulassen.
«Keine Ahnung, welche Konzentrationen nötig sind»
Zur Studie: Drei Probandengruppen im Alter zwischen 18 und 60 Jahren hatten entweder eine geringe, mittlere oder hohe Dosis der Versuchsvakzine bekommen. Bei «50 bis 75 Prozent» stieg daraufhin die Menge neutralisierender Antikörper gegen Sars-CoV-2-Viren um das Vierfache.
Hildegund Ertl vom Zentrum für Impfstoff- und Immuntherapie am Wistar Institut in den USA schreibt im Fachblatt «Nature» dazu: «Wir haben keine Ahnung, welche Konzentrationen nötig sind, damit sich ein Schutz einstellt».
Ausserdem haben sich in der Studie offenbar durchaus bedenkliche Nebenwirkungen gezeigt: Etwa 54 der Geimpften berichteten über «Schmerzen» an der Einstichstelle; 46 Prozent entwickelten vorübergehend leichtes Fieber, Müdigkeit (44 Prozent) sowie Kopfschmerzen (39 Prozent)
Schwere Nebenwirkungen seien aber nur bei einem Patienten aufgetreten. Dieser hatte eine hohe Dosis des Coronavirus-Impfstoffs erhalten. Für 48 Stunden entwickelte er ein schweres Fieber über 38,5 Grad Celsius, schwere Müdigkeitserscheinungen, Atembeschwerden und Muskelschmerzen.
Für die chinesische Forschungsgruppe war dies jedoch kein Hinderungsgrund für eine (inzwischen begonnene) Phase-2-Studie. Auch die chinesischen Behörden stellten sich nicht quer. CanSino verzichtet künftig lediglich auf die hohe Dosierung des Impfstoffkandidaten.
Coronavirus Impfstoff: Antikörper gegen Transportmittel?
Ein weiteres Problem sehen Experten beim Erbmaterial des CanSino-Impfstoffkandidaten. Dieses besteht aus dem Sars-CoV-2-Virus, das den Bauplan für das «Spike»-Protein enthält. Das ist der «Stachel», mit dem das Virus sich Zugang zu menschlichen Zellen verschafft.
Das Spike-Protein wird vom Immunsystem als «fremd» erkennt und löst dadurch eine Abwehrreaktion aus. Idealerweise führt diese dann zu Immunität gegenüber dem kompletten Sars-CoV-2-Virus. Damit das möglich ist, muss der Bauplan aber erst einmal in menschliche Zellen bugsiert werden.
Dabei helfen soll das Adenovirus «Ad5». Hana El Sahly, Virologin vom Baylor College of Medicine in den USA hält die Wahl dieses Transportsystems für «bedenklich». Im Fachblatt New England Journal of Medicine» warnt sie: Ein HIV-Impfstoff auf Ad5-Basis vor etwa zehn Jahren haben bei Tests einer US-Pharmafirma keinen Schutz geleistet.
Im Gegenteil, womöglich sorgte die Ad5-Basis als Transportmittel für eine höhere HIV-Anfälligkeit. Das könne damit zusammenhängen, dass manche Menschen aufgrund vorheriger Infektionen mit den weit verbreiteten Adenoviren Antikörper gegen Ad5 hatten.
Ertl bezeichnet dies als «grosses Handicap» für Ad5-basierte Impfstoffe. Denn sowohl in China als auch in den USA hätten etwa die Hälfte der Bevölkerung Antikörper gegen Ad5. In Afrika seien es sogar bis zu 90 Prozent.