Coronavirus: Das passiert, wenn Corona-Impfstoff nach hinten losgeht
Das Wichtigste in Kürze
- AstraZeneca musste seine klinische Studie zum Corona-Impfstoff einstellen.
- Ein Proband ist nach der Impfung erkrankt.
- Ein Immunologe gibt Antwort auf die wichtigsten Fragen.
Das britische Unternehmen AstraZeneca hat seine klinische Studie zu einem Impfstoff gegen das Coronavirus unterbrochen. Dies, nachdem ein Studienteilnehmer erkrankt war. Es sei ein Einzelfall, sagte AstraZeneca. Im Moment wird abgeklärt, ob die gesundheitlichen Probleme vom Impfstoff ausgelöst wurden.
Laut dem Unternehmen handelt es sich um eine Routine-Unterbrechung. Doch wie gefährlich ist der Impfstoff-Test für die Teilnehmer? Der Immunologe Daniel Speiser gibt Antwort auf die drängendsten Fragen.
Nau.ch: Herr Speiser, wie gefährlich sind solche klinischen Studien für Probanden und Probandinnen?
Daniel Speiser: In diesen Studien besteht immer eine gewisse Gefahr. Für die einzelnen Teilnehmenden der Studie ist diese jedoch eher gering. Es wurde bereits im Vorfeld der Tests weitgehend ausgeschlossen, dass schlimme Nebenwirkungen auftreten können.
Man kann sagen, dass schwerere Komplikationen selten sind in der letzten Testphase. Ganz sicher ist man aber nie.
Nau.ch: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Impfstoff in der dritten und letzten Testphase einen Rückschlag wie diesen erleidet?
Daniel Speiser: Bis zu einem gewissen Grad ist es normal, dass man bei den Testphasen auch Rückschläge erlebt. Insbesondere in der dritten Phase. Denn nur hier können, aufgrund der hohen Testzahlen, auch seltene Erkenntnisse aufgegriffen werden.
Daher ist es gut möglich, dass es zu einem Zwischenfall kommen kann. Dann muss man natürlich zuerst der Frage nachgehen: Hat das etwas mit der Impfung zu tun oder geschah dies unabhängig davon?
Nau.ch: Was kann bei Testverfahren schiefgehen, welche Nebenwirkungen können auftreten?
Daniel Speiser: Bei Impftests und sonstigen Impfungen kommt es oft zu lokalen Entzündungen. Auch Fieber, Gliederschmerzen oder generelles Unwohlsein sind nicht selten. Eine Entzündung des Rückenmarks, wie sie im Fall AstraZeneca vorliegt, ist selten nach Impfungen. Und eher bekannt als Komplikation von Infektionskrankheiten.
Diese kann Schmerzen, Gefühlsstörungen und Verkrampfungen hervorrufen. In der Regel sind diese Beschwerden temporär. Es kann jedoch auch passieren, dass sie sich trotz Therapie nicht verflüchtigen.
Trotzdem sind solche Entzündungen sehr unwahrscheinlich im Rahmen von Impfungen. Natürlich bereitet ein solcher Fall grosse Sorgen, darum wurde das Testverfahren unverzüglich gestoppt. Falls der Verdacht gehegt wird, dass ein solcher Fall öfter auftreten könnte, muss man die Testreihe ganz einstellen.
Aufwand wie bei Coronavirus «noch nie da gewesen»
Nau.ch: Inwiefern sind Probanden über Risiken und Nebenwirkungen informiert, wie sind sie abgesichert?
Daniel Speiser: Die Aufklärung und Absicherung von Testpersonen ist ein sehr wichtiger Teil der Studien. Die Probanden werden vorangehend über sämtliche Risiken aufgeklärt, man zeigt genau auf, mit was gerechnet wird.
Allfällige Schäden die entstehen werden vollumfänglich von der verantwortlichen Firma übernommen. Hierbei sind die Testpersonen voll und ganz abgesichert. Die Firmen müssen die volle Verantwortung übernehmen, egal was passiert.
Nau.ch: Beeinflussen die beschleunigten Verfahren die Risiken? Oder verhält sich dies ähnlich wie bei anderen Impftests?
Daniel Speiser: Bei den Tests von Impfungen der westlichen Staaten werden nie Testphasen übersprungen. Auch sind die Phasen nicht schneller oder verkürzt. Im Zusammenhang mit den Impfstoffen gegen das Coronavirus bereiten sich die Firmen lediglich intensiver auf den nächsten Schritt vor.
Ausserdem arbeiten unglaublich viele Firmen gleichzeitig an neuen Impfungen. Dies ist normalerweise nie der Fall, da in der Pharmaindustrie grosses Konkurrenzdenken herrscht. Zurzeit sind ausserordentlich grosse finanzielle Mittel verfügbar, ohne die wäre der weltweite Riesenaufwand für die breite Impfstoffentwicklung nicht möglich. Weltweit sind ja weit über 100 Impfstoffe in Entwicklung.
Nau.ch: Können Sie einen Vergleich zu bisherigen Pandemien oder Epidemien ziehen oder ist das Coronavirus hiermit ein Vorreiter?
Daniel Speiser: Ein solch riesiger Aufwand ist tatsächlich noch nie da gewesen vor dem Coronavirus. Der hohe Grad an Motivation liegt an den weitläufigen Problemen, die das Coronavirus weltweit bereitet.
Zwar war beispielsweise auch Ebola eine sehr schwere Krankheit, doch sie hielt sich im überschaubaren Rahmen. Dementsprechend ist natürlich auch die Motivation der Pharmaunternehmen kleiner, einen Impfstoff zu kreieren.
Nau.ch: Wie wird AstraZeneca wohl nun weiterfahren?
Daniel Speiser: Das weitere Vorgehen von AstraZeneca entspricht dem Standard in solchen Situationen. Die Tests müssen gestoppt und sämtliche Daten gesammelt werden. Auch die Daten aus Brasilien, Südafrika und den USA, wo ebenfalls Tests laufen.
Nachdem die Daten gesammelt wurden, werden diese den Behörden vorgelegt. Diese prüfen die ganze Sache, was schnell mal zwei bis drei Wochen oder länger dauern kann. Wenn das alles gut aussieht, wird die Firma die Bewilligung erhalten die Tests weiterzuführen.