Coronavirus: Impfegoismus reicher Länder gefährdet Ende der Pandemie
Die Impfstoffe gegen das Coronavirus werden nicht gerecht verteilt. Ein solcher Impfegoismus ist nicht förderlich für eine baldige Kontrolle über die Situation.
Das Wichtigste in Kürze
- Weltweit wird auf Hochtouren gegen das Coronavirus geimpft.
- Ärmere Länder bleiben aber aussen vor: Impfdosen sind knapp oder nicht vorhanden.
- Internationale Organisationen schlagen deswegen Alarm.
Beinahe auf der ganzen Welt wird auf Hochtouren gegen das Coronavirus geimpft. Zumindest in reicheren Ländern. Allen voran Israel, wo rund die Hälfte der Bevölkerung bereits eine Impfung erhalten hat. Ärmere, afrikanische Länder warten immer noch auf Impfdosen und dies zu horrenden Preisen.
Bilaterale Abkommen zwischen wohlhabenderen Regierungen und Herstellern von Coronavirus-Impfstoffen haben Bedenken ausgelöst. Dies hinsichtlich Preiserhöhungen und mangelnder Versorgung für ärmere Länder.
So zahlt beispielsweise Südafrika mehr als doppelt so viel für die AstraZeneca-Impfung wie europäische Nationen. Die Preise verlaufen sich im Normalfall auf nicht mal zwei Franken – das afrikanische Land bezahlt beinahe fünf Franken.
Südafrikas stellvertretender Gesundheitsdirektor Anban Pillay sagte im Januar gegenüber «The Guardian»: «Die Erklärung dafür ist, dass andere Länder mehr in Forschung und Entwicklung investiert haben. Daher der Preisnachlass.» Für ihn hinkt die Begründung.
Reiche Länder kaufen über die Hälfte der Impfdosen
Die Kaiser Family Foundation (KFF), eine internationale Gesundheitsorganisation mit Sitz in den USA, hat Mitte Woche Alarm geschlagen: Reiche Länder machen lediglich einen Fünftel der weltweiten erwachsenen Bevölkerung aus. Haben aber 54 Prozent aller Impfstoffdosen gegen das Coronavirus gekauft.
Somit werden dieses Jahr lediglich 20 Prozent der erwachsenen Bevölkerung geimpft, also eine von vier Personen über 18 Jahren.
Die meisten europäischen Länder haben dreimal so viel Impfstoff eingekauft, wie sie benötigen. In der Schweiz ist es derzeit gar das Fünffache der benötigten Menge. Am meisten Impfstoff pro Kopf hat sich Kanada gesichert: Der bestellte Impfstoff würde für die Einwohner Kanadas mehr als sechsmal reichen.
33 Prozent wurden von Ländern mit mittleren Einkommen gekauft, welche 81 Prozent der erwachsenen Weltbevölkerung ausmachen. Weitere 13 Prozent wurden von COVAX gekauft.
Die COVAX-Initiative setzt sich für eine gleichmässige Verteilung der Impfstoffe zur Bekämpfung des Coronavirus ein. Auch die Schweiz hat sich im September für das COVAX-Programm angemeldet. Impfdosen wurden noch keine an das Programm weitergegeben.
Coronavirus muss durch Impfungen eingedämmt werden
Auch in der Schweiz macht man sich Gedanken zum Thema. So sagte der Tessiner Epidemiologe Andreas Cerny bereits Ende Januar gegenüber Nau.ch: «Es herrscht eine Pandemie und wir müssen nicht als Kanton oder Land, sondern als Erdbewohner denken.»
Der Impfstoff gegen das Coronavirus solle für alle Länder zugänglich sein. «Denn was nützt es uns, wenn wir alle geimpft sind; aber immer neue Virusvarianten in den unterprivilegierten Regionen der Welt entstehen?»
Indische Firma will Abhilfe schaffen
Abhilfe soll eine schnellere Produktion der Impfstoffe schaffen. Auf Hochtouren arbeitet die indische Firma Serum Institute of India (SII), ein indischer Hersteller von immunologischen Produkten.
Geschäftsführer Adar Poonawalla möchte die monatliche Produktion des AstraZeneca-Impfstoffs bis April von derzeit rund 60 auf 100 Millionen Dosen erhöhen. Dies eröffnete der 40-Jährige gegenüber «The Economist».
Laut Gavi, einer internationalen Impfallianz, sollen über eine Milliarde der COVAX-Impfdosen von SII hergestellt werden. Diese sollen bis Ende Jahr an die Länder verteilt sein. Probleme werden wohl trotzdem weiter auftauchen, so die Allianz.
Hier muss sich laut Cerny auch die Schweiz an der eigenen Nase fassen. «Die Schweiz hat direkt mit den Impfherstellern Verträge abgeschlossen und sich auch bei der COVAX-Initiative angemeldet. Es wäre sinnvoll, wenn sich die Schweiz auch weiterhin an diesem Projekt beteiligt.»