Mutiertes Coronavirus: Virologe pocht auf gerechte Impfverteilung
Mutationen des Coronavirus sorgen auf der ganzen Welt für Aufregung. Auch ein Schweizer Epidemiologe macht sich Sorgen.
Das Wichtigste in Kürze
- Mutationen des Coronavirus bereiten Forschenden weltweit Sorgen.
- Auch der Schweizer Epidemiologe Andreas Cerny zeigt sich besorgt.
- Er kritisiert die Schweizer Forschung und hält zum gemeinsamen Kampf gegen das Virus an.
Zurzeit kursieren drei hochansteckende Mutationen des Coronavirus auf der Welt. Dazu gehören die britische, die südafrikanische – und neu auch eine brasilianische Variante. Besonders die letzte beunruhigt Forschende rund um den Globus.
Denn: Es ist noch nicht klar, ob die zugelassenen Impfungen die neue Variante neutralisieren können. Auch bei der in Südafrika entstandenen Mutation gibt es Anlass zur Sorge. Gerade Personen, die sich bereits mit dem Coronavirus angesteckt hatten, sollen für diese Mutation anfällig sein. Dasselbe bei der brasilianischen Variante.
Schutz vor brasilianischem Coronavirus nicht sicher
Auch Epidemiologe Andreas Cerny macht sich Sorgen um die Mutationen des Virus. «Die neue brasilianische Variante trägt mehrere neue Mutationen am Spikeprotein, welches für das Anhaften an menschliche Atemwegszellen verantwortlich ist.»
Ob die Antikörper durch Impfungen und frühere Corona-Erkrankungen gegen die Variation schützen, sei noch abzuklären. «Dies wird im Moment in vielen Labors fieberhaft untersucht.»
Cerny kann aber auch beruhigen: Der Mensch bilde Antikörper gegen verschiedene Teile der Oberfläche des Spikeproteins. So sei es möglich, dass «die Variante immer noch von unseren Antikörpern erkannt wird aber möglicherweise etwas weniger gut».
Auch die beiden Köpfe hinter der Biontech-Impfung, Özlen Türeci und Ugur Sahin sind sich sicher: Die Wirksamkeit des Impfstoffes hält auch den Mutationen stand.
Denn die Struktur des Coronavirus sei um weniger als ein Prozent verändert, auch wenn Mutationen vorliegen. Ein mRNA-Impfstoff sei innert wenigen Wochen modifiziert.
Mutationen des Virus waren «abzusehen»
Forschende hatten stets vor Mutationen des Coronavirus gewarnt. Denn überall, wo sich viele Menschen mit dem Virus infizieren, komme es mit grosser Wahrscheinlichkeit zu einer Mutation, erläutern Cerny.
Das heisst ganz einfach: «Je weniger Fälle wir global haben, desto weniger hat das Virus die Möglichkeit Mutanten zu bilden.» Die Mutationen bereiten ihm und anderen Forschenden grosse Sorgen, so Cerny. Er hofft auf baldige wirksame Medikamente.
Cerny ergänzt: «Je rascher wir das Problem auf globaler Ebene angehen, desto grösser ist die Chance es in den Griff zu bekommen. Auf die Pandemie angewendet heisst dies: Wenn eine Mutation, welche beispielsweise in Pakistan auftritt, in wenigen Wochen bei uns zu grossen Problemen führen kann.»
Politik soll Forschungsplätze fördern
Der Epidemiologe aus dem Tessin hält nochmals zur gemeinsamen Bewältigung der Pandemie an. «Es herrscht eine Pandemie und wir müssen nicht als Kanton oder Land, sondern als Erdbewohner denken.»
Besonders wichtig sei der Zugang zu Impfungen für Entwicklungsländer. «Denn was nützt es uns, wenn wir alle geimpft sind; aber immer neue Virusvarianten in den unterprivilegierten Regionen der Welt entstehen?»
Hier muss sich laut Cerny auch die Schweiz an der eigenen Nase fassen. «Die Schweiz hat direkt mit den Impfherstellern Verträge abgeschlossen und sich auch bei der COVAX-Initiative angemeldet. Diese soll einen gerechteren Zugang zu den Impfstoffen auch für die armen Länder ermöglichen. Es wäre sinnvoll, wenn sich die Schweiz auch weiterhin an diesem Projekt beteiligt.»
Und weiter: «Ich bin der Ansicht, dass die Politik mehr für den hiesigen Forschungsplatz tun sollte. Und nicht nur auf Innovation aus der Pharmaindustrie warten sollte.» Cerny findet: Die Forschung habe mit rund 18 Millionen verglichen mit den restlichen Pandemiekosten «nur lächerliche Forschungsbeiträge für die Covid-19 Forschung erhalten».