Coronavirus: Neue Erkenntnisse zu mysteriösem Syndrom bei Kindern
Ärzte melden aus mehreren Ländern schwer erkrankte Kinder mit Entzündungen. Gibt es einen Zusammenhang mit dem Coronavirus? Eine Studie bringt mehr Klarheit.
Das Wichtigste in Kürze
- Weltweit gibt es zurzeit Berichte über ein mysteriöses Entzündungssyndrom bei Kindern.
- Schon länger wird eine Verbindung mit Corona vermutet, das wurde aber bisher nicht belegt.
- Eine neue Studie aus dem Pandemie-Zentrum Italiens soll nun Klarheit schaffen.
In Italien, Spanien, New York und Grossbritannien schlagen Ärzte Alarm: Unerwartet viele Kinder müssen während der Corona-Krise wegen eines mysteriösen Entzündungssyndroms behandelt werden.
Im Zusammenhang mit diesem stehen Symptome wie etwa entzündete Blutgefässe, Hautausschläge und Fieber. Es sind Symptome, die dem Kawasaki-Syndrom zumindest ähneln.
Kawasaki führt zu einer Überreaktion des Immunsystems, die vermutlich durch Bakterien oder Viren ausgelöst wird. Bei der gefährlichen, aber behandelbaren Erkrankung handelt es sich um ein sogenanntes multiples Entzündungssyndrom.
In einigen Fällen kann es bis zum Organversagen führen. Besonders die Altersgruppe zwischen 5 und 14 Jahren ist betroffen.
Kawasaki ist jedoch eine sehr seltene Erkrankung. Weltweit gibt es gerade mal 6000 Fälle. Laut Definition der Europäischen Union tritt diese Erkrankung bei weniger als fünf von 10'000 Menschen auf.
Schon länger wird deshalb vermutet: Der zuletzt registrierte Anstieg von Kindern mit dem Kawasaki-ähnlichen Syndrom könnte mit dem Coronavirus zu tun haben. Eine direkte Verbindung wurde indes noch nicht belegt – bis jetzt!
Antikörper gegen Coronavirus festgestellt
In der vom Coronavirus stark betroffenen Region Bergamo haben Kinderärzte erstmals detaillierte Daten veröffentlicht. Auch in der italienischen Region wurde nämlich ein deutlicher Anstieg von Kindern mit dem Kawasaki-Syndrom festgestellt.
Zwischen Mitte Februar und Mitte April – also gerade einmal zwei Monate – gab es 10 Fälle. In den knapp vier Jahren zuvor wurden hingegen gerade mal 19 Kindern mit dem multiplen Entzündungssyndrom behandelt. Das bedeutet einen Anstieg von 30 Prozent.
Das Team um Dr. Lucio Verdoni hat deshalb Antikörper-Tests mit den 10 Fällen zwischen Februar und April durchgeführt. Dabei hat sich laut der Studie gezeigt: Bei 8 der 10 Kinder wurden Antikörper gegen SARS-CoV-2 nachgewiesen.
Anschliessend haben die Forscher nach spezifischen Unterschiede zwischen den zwei Gruppen untersucht. Ihre Theorie: Finden sich solche, stützt das die Vermutung, dass das Coronavirus als Auslöser hinter den aktuellen Krankheitsfällen steckt.
Spezifische Unterschiede gefunden
Wie sich in der Studie, die im Wissenschaftsmagazin «The Lancet» publiziert wurde, zeigt, wurden die Ärzte fündig. Behandelte Kinder der Prä-Corona-Zeit waren im Schnitt eher jünger (drei Jahre). Kinder, die während der Pandemie erkrankt sind, eher älter (7,5 Jahre).
Zudem wurden zu Corona-Zeiten deutlich häufiger schwere Symptome und kritische Verläufe festgestellt. So litten 60 Prozent der Kinder an kardialen Komplikationen, bei den früheren Fällen waren es dagegen nur 10 Prozent.
50 Prozent zeigten weiter ein toxisches Schock-Syndrom, das vor dem 18. Februar bei keinem Kind mit Kawaski-Syndrom festgestellt wurde. Daraus resultierend seien die Fälle auch unterschiedlich therapiert worden.
Alle 29 Kinder wurden mit Immunglobulinen behandelt, doch während der Corona-Pandemie erhielten 80 Prozent der Kinder zusätzlich Steroide. In den Jahren zuvor war hingegen nur bei 16 Prozent der Betroffenen eine solche Behandlung nötig.
Alle Kinder erholten sich
Laut der Studie, die im Wissenschaftsmagazin «The Lancet» publiziert wurde, erholten sich alle Kinder der früheren Gruppe vollständig. Und auch die während der Pandemie behandelten Kinder wurden mittlerweile aus der Klinik entlassen.
Nach Angaben der Kinderärzte wird derzeit aber noch die Behandlung mit Acetylsalicylsäure und Thrombozytenaggregationshemmern fortgesetzt.
Die Ärzte plädieren aufgrund der deutlichen klinischen Unterschiede, die zurzeit auftretenden Erkrankungen als eigenes «Kawasaki-ähnliches Syndrom» zu klassifizieren.
«Die Erkrankung bleibt insgesamt aber eine sehr seltene Komplikation», betonen die Ärzte. Die meisten Infektionen mit dem Coronavirus bei Kindern verliefen asymptomatisch oder sehr mild.