Darum eckt der Ohrfeigen Werbespot von Amorana an

Christoph Krummenacher
Christoph Krummenacher

Bern,

Ein Online-Erotikshop bewirbt seine Produkte mit einem TV-Spot: Eine Frau ohrfeigt einen Mann. Das sorgt für Aufsehen. Und für Diskussionen. Warum?

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Die fiktive Superheldin lehrt dem Schenkenden, was sich die Beschenkte wünscht. - Screenshot Youtube

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Frau zu zeigen, die einen Mann ohrfeigt, sei problematisch, findet die Forschende.
  • Die Urheber winken ab: Die Figur sei fiktiv und dürfe das deshalb.
  • Doch der Werbespot funktioniert, weil er mit den Geschlechterrollen spielt.

Erotikhändler Amorana wollte mit einem Spot Aufmerksamkeit generieren. Das gelang. Gründer Alan Frei zu Nau: «Unser letztjähriger Spot war zu explizit und wurde von Fernsehstationen abgelehnt.» Der Auftrag an die Werbeagentur Futurelite war deshalb ein Spot, der nicht explizit für die Sextoys wirbt, erklärt Claudio Catrambone. «Aus diesem Grund wurde auf altbekannte Symboliken verzichtet, um einer cleveren Geschichte den Vorzug zu geben – und diese hat voll eingeschlagen.»

Keine Sextoys – dafür eine Ohrfeige

Im wahrsten Sinne des Wortes. Genau das findet Fabienne Amlinger vom Interdisziplinären Zentrum für Geschlechterforschung an der Uni Bern (IZFG) problematisch. «Sexualität und Sextoys werden in diesem Spot nicht gezeigt, weil dies anscheinend verpönt ist. Aber offenbar ist es ohne Problem möglich, Gewalt zu zeigen.» 

Auch Frei und Catrambone stört diese Doppelmoral: «Der durch die Spots ausgelöste Diskurs war Kalkül. Denn: Warum ist es in Ordnung in einem jugendfreien Hollywoodstreifen Menschen zu zeigen, welche explizit zusammengeschlagen, durchlöchert und ermordet werden – Liebkosungen und entfernt erotische Inhalte jedoch unweigerlich zu Zensur und höherer Altersfreigabe führen?» fragt Werber Catrambone. Und Alan Frei ergänzt: «Im SRF-Kassensturz werden Vibratoren getestet, aber unseren Spot wollte man nicht zeigen.»

Der (scheinbare) Rollentausch

Werber Catrambone charakterisiert seine Protagonistin so: «Die fiktive Superheldin «Amorana» assistiert den überforderten Männern bei der Meinungsbildung. Amorana selbst ist dabei smart, kompetent, dynamisch, charismatisch, und tough – eine Frau, die weiss was Frauen wollen.» Auch Alan Frei betont, dass es sich bei der Superheldin um einen fiktiven Charakter handle. Das sei an den Farben, dem Kostüm und den schnellen Bewegungen deutlich erkennbar. «Wir wollten kein spezielles Frauenbild zeigen (auch kein Männerbild), wir wollten nur ein Produkt bewerben.»

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Der Amorana-Erotik-Adventskalender: Die bessere Alternative, wenn es nach dem Erotikhändler geht. - Screenshot Youtube

Für Fabienne Amlinger ist klar: «Wären die Rollen anders rum, hätten sich die Werber wohl nicht getraut, diesen Spot zu machen.» Die Rollen würden sich dem klassischen Geschlechterbild anlehnen, seien aber genau umkehrt: «Die Frau trägt hier männlich betrachtete Attribute: Sie ist kräftig, dynamisch, strahlend, steht im Mittelpunkt. Daneben wird der Mann eher als schwach und untergeordnet gezeigt.» 

Ausschlaggebend sei jedoch die Ohrfeige, stellt Amlinger fest. «Gewalt ist ein häufig männliches Phänomen. Studien zeigen, dass körperliche Gewalt mehrheitlich von Männern verübt wird.» Davon distanziert sich Alan Frei: «Ich bin dagegen, dass Menschen einander schlagen – ausser sie wollen das. Die Ohrfeige ist jedoch keine sexuelle Anspielung, denn die Superheldin hatte eben gerade keine Erlaubnis. In der Fiktion ist das aber möglich.»

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Alan Frei (l.) ist Mitgründer des Online-Erotikhändlers Amorana, Fabienne Amlinger forscht am Interdisziplinären Zentrum für Geschlechterforschung an der Universität Bern. - zvg

Die Ohrfeige sei dabei «in keinster Weise» als ein Zeichen von weiblicher Emanzipation gedacht, erklärt Catrambone: «Vielmehr fühlen sich die Männer in der neuen Geschlechterrollenaufteilung überfordert und sind dankbar um die unverhoffte Assistenz.» Gemäss Amorana-Gründer Frei kamen die negativen Rückmeldungen – etwas 20 Mails – mehrheitlich von Männern. 

Jetzt zuschlagen!

Für Amlinger ist der Rollentausch ohnehin unnötig. «Ich finde die Werbung zu unangebracht und unkreativ, es gäbe bestimmt andere Möglichkeiten, um zu überraschen.» Für Amorana läuft das Weihnachtsgeschäft derweil gut: Der in der in der beworbene Adventskalender ist der Topseller des Erotikhändlers. Es gibt «nur noch wenige Stücke». Die Kunden haben die Message also verstanden: «Jetzt zuschlagen. Auf Amorana.ch.»

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