Datafication: Wie Algorithmen zunehmend den Journalismus untergraben

Lisa Seyde
Lisa Seyde

Lugano,

Algorithmen halten mehr und mehr Einzug in die Berichterstattung. Die Werte des – auch digitalen – Journalismus werden dadurch unterwandert, sagen nun Forscher.

Datafication (Datafizierung) wird mit Big Data und Datenanalyse-Tools zur Effizienzsteigerung in Verbindung gebracht. - Pixabay/Gerd Altmann

Das Wichtigste in Kürze

  • Digitale Technologien konkurrieren zunehmend mit den journalistischen Werten.
  • Zu dem Ergebnis kommen Forscher der Universität Lugano.
  • Die Datafizierung widerspreche immer mehr der journalistischen Rechenschaftspflicht.

Daten durchdringen inzwischen fast alle Bereiche der Gesellschaft. Auch der Journalismus bildet da keine Ausnahme. Insbesondere die Datafizierung (Datafication) im digitalen Journalismus hat verschiedene Spannungsfelder erschaffen, die sich zwischen Rechenschaftspflicht, Transparenz und Privatsphäre bewegen. Arbeitsabläufe werden zunehmend durch Nutzerzentrierung und Effizienzsteigerung mithilfe von KI-Algorithmen und Automatisierung bestimmt.

Forscher der Universität Lugano weisen nun darauf hin, dass der Prozess der Datafizierung im Journalismus kein isoliertes Phänomen sei. Vielmehr bestehe eine doppelte Beziehung «zwischen datengetriebenen gesellschaftlichen Transformationsprozessen und dem, was im Journalismus geschieht», so Colin Porlezza in dem Artikel, der in «Histories Of Digital News In Europe» veröffentlicht wurde.

Datenjournalismus vs. Datafication

Von der Datafizierung zu unterscheiden ist der Datenjournalismus, der sich eher den Idealen einer objektiven und transparenten Berichterstattung verschreibt. So sagt etwa Adrian Holovaty 2006 in einem Blogbeitrag, dass der Datenjournalismus wichtige, zielgerichtete Informationen liefere, «die für das Leben der Menschen nützlich sind und ihnen helfen, die Welt zu verstehen». Eine Zeitung solle daher einen «fairen Blick auf aktuelle, wichtige Informationen für eine Leserschaft» haben.

Porlezza erklärt: «Während Datenjournalisten Normen wie Transparenz und die Open-Source-Philosophie pflegen und für eine Offenheit eintreten, die es Nutzern ermöglicht, auf Daten zuzugreifen und sie zu überprüfen, ist dies in Bezug auf Algorithmen kaum möglich.»

Von Daten zu Algorithmen und Automatisierung

Die gegenwärtige Datafizierung des digitalen Journalismus sei daher kritisch zu sehen. Die Nutzung von Daten, Algorithmen und maschinellem Lernen sowie die technologischen Infrastrukturen, von denen sie abhängen, würden eine Art von «Infomaschine» darstellen, «die weitgehend bestimmt, wie Nachrichten gesammelt, produziert und verbreitet werden», so Porlezza.

Hat die Qualität des Journalismus durch KI abgenommen?

Algorithmen würden nicht nur ethische Fragen hinsichtlich der Objektivität ihrer Ergebnisse aufwerfen, sondern auch hinsichtlich professioneller journalistischer Werte wie Transparenz, Rechenschaftspflicht und Verantwortung, heisst es in dem Artikel. «Insbesondere Transparenz ist ein aktuelles Thema, das sowohl in wissenschaftlichen Arbeiten als auch in politischen Debatten diskutiert wird.» Das Konzept sei allerdings aufgrund der Komplexität der zugrundeliegenden KI-Architekturen und der maschinellen Lernmodelle schwer umsetzbar.

Der Wissenschaftler weist darauf hin, dass die Presseräte Europas datengetriebene Phänomene im Umgang mit Nachrichten bisher ignoriert hätten, und warnt: «Wenn die Selbstregulierer nicht regulieren, werden es andere Institutionen tun.» Prinzipiell bestehe das Risiko, das Nachrichtenorganisationen gezwungen sein könnten, Entscheidungen auf einer Gesetzesgrundlage zu treffen, die nicht in erster Linie für den Journalismus gedacht ist.

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Kommentare

User #5406 (nicht angemeldet)

Nachvollziehbar. Da wir in der Schweiz nie die ersten sind, die News berichten, kann die KI Zusammenfassungen von ausländischen Zeitungen machen. Einen Nachrichtenagentur wird es wohl nicht mehr brauchen und viele Journalisten können eingespart werden. Die top Recherchejournalisten aber werden die KI überleben.

User #3616 (nicht angemeldet)

Der Journalismus hat schon lange sich selbst unterwandert. Nur weil die „KI“ die Hauptidelogie der meisten Journalisten evtl. nicht immer so knallhart in den Artikeln durchdrückt wie die Journis heisst das noch lange nicht das es Unterwanderung ist, ist einfach eine alternative Sicht. Natürlich muss man immer alles hinterfragen, das gilt aber für alle und alles was journalistisch tätig ist.

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