Eine Rattenpfote wäscht die andere
Das Wichtigste in Kürze
- Ratten helfen ihren Artgenossen, wenn diese ihnen vorher halfen.
- Entscheidend dafür ist das letzte Zusammentreffen, wie Forschende herausgefunden haben.
- Sie erinnern sich dabei selbst an Begegnungen, die drei Tage zurückliegen.
Wenn die Ratte Rex mit der Ratte Roxette das Futter teilt, dann kann sie in Zukunft auf die Hilfe von Roxette zählen. Denn Ratten helfen ihren Artgenossen, wenn diese sich vorher kooperativ gezeigt haben. Wenn Rex aber Roxette vom Futtertrog wegjagt, wird sich Roxette das nächste Mal daran erinnern – und Gleiches mit Gleichem vergelten.
Dies zeigt eine neue Studie, die ein Forscher der Universität Bern zusammen mit einer Kollegin der University of St. Andrews durchgeführt hat. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin Proceedings of the Royal Society B veröffentlicht. Es ist die erste Studie, die untersucht, welche Informationen die Tiere heranziehen, um einander zu helfen oder nicht.
Ratten merken sich das Verhalten der Artgenossen
Dazu führten die Forschenden mit Wanderratten ein Experiment durch: Die Nager lernten jeweils verschiedene Partnerratten kennen. Diese Artgenossen zeigten sich unterschiedlich kooperativ: Das heisst, sie halfen der Partnerratte, an Futter zu kommen – oder eben nicht.
Jedes Rattenpaar, das sich kennenlernte, traf sich am darauffolgenden Tag in vertauschten Rollen wieder: Jetzt besassen die Alteingesessenen die Macht über das Futter. Dabei zeigte sich, dass Ratten sich sehr genau merken, wie sie von ihren Artgenossen behandelt werden. Wenn ihnen die Partnerratte bei der letzten Begegnung Futter verschafft hatte, wurde ihr danach auch geholfen, ihrerseits an Futter zu kommen.
Entscheidend war dabei die letzte Begegnung – frühere Zusammentreffen berücksichtigten sie nicht, egal ob diese Begegnungen kooperativ waren oder nicht.
Auch nach drei Tagen erinnern sich Ratten noch
Doch was, wenn sich Ratten schlicht nicht an Ereignisse erinnern können, die länger als 24 Stunden her sind? Um das auszuschliessen, haben die Forschenden ein weiteres Experiment durchgeführt. Hier erfuhren die Ratten die Hilfsbereitschaft ihrer Versuchspartnerinnen jeweils ein oder drei Tage bevor sie den Gefallen zurückzahlen konnten.
Manon Schweinfurth, Mitautorin der Studie, erklärt in einer Mitteilung: «Auch wenn die letzte Begegnung mit einer Partnerratte drei Tage zurücklag, konnten sich die Tiere trotzdem gut daran erinnern und nutzten diese Begegnung als Entscheidungsgrundlage. Die Kooperationsbereitschaft wurde durch den zeitlichen Abstand nicht verringert.»
Fazit: «Die Ratten basierten somit ihre Entscheidung immer auf der letzten Begegnung und nicht auf der gesamten sozialen Interaktion.» Dies könnte laut den Forschenden damit erklärt werden, dass Ratten in Freiheit in Gruppen von bis zu 200 Individuen leben. In so grossen Gruppen könnte es für sie schwierig sein, sich an jede einzelne Begegnung der Vergangenheit zu erinnern.
Diese Studie ist laut den Wissenschaftlern die erste, die untersucht hat, was sich Tiere wie lange merken, um miteinander dauerhaft kooperieren zu können. Denn die Frage, inwiefern kooperatives Verhalten zwischen nicht verwandten Individuen in der Tierwelt existiert, ist unter Wissenschaftlern heiss diskutiert. «Weitere Studien sind nötig, um herauszufinden, wie weit verbreitet dieses gegenseitige Hilfeverhalten im Tierreich ist», so die Forscherin.
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