Eine Schweizer «Flagge» stand zuerst auf dem Mond

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Bern,

Ein Stück Schweiz war auf dem Mond und ein Stück Mond in der Schweiz: Noch vor der amerikanischen stand eine Schweizer «Flagge» auf dem Mond, ein Experiment der Uni Bern. Später erhielten Berner Forschende ausserdem Mondgestein zur Analyse.

Schweizer «Flagge» auf dem Mond: Der vom Berner Physikprofessor Johann Geiss entwickelte Vakuumzylinder, in dem sich ein Stück Sonnensegel befindet, war auf der Apollo 11 Mission 1969 zum Mond mit an Bord.
Schweizer «Flagge» auf dem Mond: Der vom Berner Physikprofessor Johann Geiss entwickelte Vakuumzylinder, in dem sich ein Stück Sonnensegel befindet, war auf der Apollo 11 Mission 1969 zum Mond mit an Bord. - sda - Keystone/STR

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Zeit war knapp auf der Mondoberfläche.

Kaum war Edwin «Buzz» Aldrin aus der Landefähre «Eagle» ausgestiegen, entrollte er eine Folie für ein Experiment der Universität Bern. Erst einige Minuten später kam die US-Flagge an die Reihe. Es war eines der wenigen Experimente an Bord der Apollo-11-Mission.

Insbesondere verdankte das Team um Johannes Geiss von der Universität Bern diese Chance dem Umstand, dass die Folie leicht und das Experiment so einfach war: ausrollen, aufstellen und am Schluss wieder einrollen und zurück zur Erde bringen. Ziel war, Sonnenwindteilchen einzufangen und damit mehr über die Zusammensetzung der Sonne zu erfahren.

Nur 454 Gramm durfte das Experiment maximal wiegen, wie sich der damals beteiligte Physiker Jürg Meister in einem Video der Uni Bern erinnert. Fast täglich seien sie zusammengekommen, um das Experiment so kompakt und leicht zu designen, dass es den Anforderungen der Nasa genügte.

Eine der Herausforderungen: Es brauchte nicht nur die Folie selbst, sondern auch eine Struktur, um sie aufzuhängen. Die Lösung war eine teleskopartig ausziehbare Fahnenstange mit fünf Segmenten, die nach dem Auseinanderziehen arretierten. Heute würde man es wohl «Selfie-Stick» nennen, meinte Meister. Das Sonnenwindsegel selbst rollten sie zusammen und steckten es ins innerste Segment.

Dank eines Federmechanismus liess sich die Folie wie eine Store entrollen, an einem Haken an der Stange befestigen und abschliessend wieder lösen und zusammenrollen. Eigentlich kinderleicht. Das musste es auch sein: Der Raumanzug und die dicken Schutzhandschuhe der Astronauten behinderten feinmotorische Bewegungen.

Rund zwei Monate vor dem Start von Apollo 11 sollte das fertige Paket für das Sonnenwindexperiment nach Cape Canaveral. Letztlich war Meister derjenige, der diese für die Berner Weltraumforschung wichtige Reise unternehmen durfte.

Erst 50 Jahre später hielt er die Reste des Sonnenwindsegels wieder in der Hand: Der unterste Teil steckt gut geschützt in einer Art Bilderrahmen und lagert bis heute an der Uni Bern. Darauf ist noch immer das Wort «SUN» zu lesen, und auf der anderen Seite «SHADE» - Angaben für die Astronauten, in welcher Orientierung sie die Folie zur Sonne ausrichten sollten.

Warum man für dieses Experiment bis zum Mond reisen musste? Das Erdmagnetfeld schützt die Erdoberfläche vor diesem Teilchenstrom, den unser Zentralgestirn fortlaufend ins All aussendet. Auf der Erde liess sich das Experiment nicht durchführen.

«Die Mondmission der Nasa war eine günstige Gelegenheit, den Sonnenwind ausserhalb des Erdmagnetfelds einzufangen und somit eine Probe von der Sonne zu nehmen», erklärte Peter Wurz von der Universität Bern im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Das Sonnenwindsegel war im Prinzip eine Alufolie, in der die Partikel des Sonnenwinds stecken blieben. In Bern konnte das Forschungsteam um Johannes Geiss anschliessend die Teilchen durch «Auskochen» herauslösen und analysieren. Im Fokus standen dabei insbesondere Edelgase. «Weil Edelgase chemisch extrem stabil sind, geben diese Teilchen Auskunft über das frühe Sonnensystem», so Wurz.

Aber neben der Analyse des Sonnenwinds war die Universität Bern auch am Mond selbst interessiert. Die Apollo-Missionen brachten insgesamt etwa 300 Kilogramm Mondgestein und -staub zurück zur Erde. Als eine der wenigen Institutionen in Europa durfte sich auch die Uni Bern zu den Glücklichen zählen, die Mondgesteinproben von Anfang an mit analysieren durften, wie Otto Eugster der Keystone-SDA erzählte.

Grund dafür war die Expertise der Berner Forschenden bei der Datierung und Analyse von Meteoriten durch Massenspektrometrie. «Dank dieser Expertise für extraterrestrisches Material bekamen wir Zugang zu Mondgesteinproben», so Eugster, der jahrelang für die Koordination der Uni Bern mit der Nasa zuständig war.

Es ging um grosse Fragen bei diesen Gesteins-Analysen: Finden sich auf dem Mond Spuren von vergangenem Leben? Existieren dort die gleichen Elemente wie auf der Erde oder andere? Und wie alt sind diese Steine, die die Astronauten unter anderem vom Rand von Einschlagskratern einsammelten?

«Man wusste nicht, ob das Mondgestein vielleicht gefährliches beinhaltet, zum Beispiel Bakterien, die die Erde verseuchen könnten.» Das Material kam daher zunächst in Quarantäne. «Man hat es Mäusen zum Fressen gegeben. Die mochten das sogar gern und hatten keine Probleme», erzählt der Physiker. Schnell zeigten auch weitere Analysen, dass es auf dem Mond keine Spur von Leben gab.

Neue Elemente entdeckten die Forschenden auf dem Erdtrabanten ebenfalls nicht. Tatsächlich aber ein Mineral, das auf der Erde nicht existiert. «Für Geologen war das ein fantastischer Fund», so Eugster. Benannt wurde es zu Ehren der Apollo-11-Astronauten «Armalcolit», zusammengesetzt aus den Anfangsbuchstaben der Nachnamen Armstrong, Aldrin und Collins.

Beim Isotopenverhältnis unterschied sich der Mond hingegen deutlich von der Erde. «Vom Helium-3-Isotop existiert auf dem Mond rund 300 mal so viel wie auf der Erde», so Eugster. Dies geht auf den erwähnten Sonnenwind zurück: ähnlich wie in der mitgebrachten Folie bleiben die Sonnenwindteilchen im Mondstaub stecken, und so reichert sich Helium-3 auf der Mondoberfläche an.

Auch 50 Jahre nach der Mondlandung gibt es auf dem Mond noch einiges zu erforschen: Die Apollo-Missionen landeten alle rund um den Äquator und auf der erdzugewandten Seite. Auch die bisherigen unbemannten Sonden eingeschlossen haben Forschende nur rund ein Zwanzigstel der Mondoberfläche direkt erforscht.

Neue Mondmissionen sollen daher das Bild vervollständigen. Anfang des Jahres landete China erstmals eine Sonde auf der erdabgewandten Seite des Erdtrabanten und schrieb damit Raumfahrtgeschichte: Chang'e 4 setzte in der Nähe des Mond-Südpols auf. Der mitgebrachte Rover «Yutu-2» erforscht nun die Mondoberfläche.

Am kommenden Montag will Indien nach mehrfachem Verschieben die Mission «Chandrayaan-2» zum Mond starten. Ein Landemodul soll ebenfalls in der Nähe des Mond-Südpols aufsetzen und unter anderem die Zusammensetzung der Oberfläche erforschen.

Auch die Uni Bern ist an neuen Mondmissionen beteiligt, wie Wurz berichtet. Allerdings sollen Gesteinsanalysen künftig mit kompakten Messgeräten direkt auf der Mondoberfläche stattfinden. So zum Beispiel bei einer geplanten Mission der russischen Raumfahrtagentur Roscosmos für 2024 mit Beteiligung der Uni Bern. Dabei geht es unter anderem um Untersuchungen an Wassereis in der Nähe des Mond-Südpols.

Ausserdem sei man mit China in Verhandlungen zu einer möglichen Beteiligung der Uni Bern an «Chang'e 6», so Wurz. Ebenfalls für 2024 ist er mit der Nasa im Gespräch, die dann wieder Menschen auf dem Mond landen lassen möchte - unter anderem die erste Frau. «Allerdings stehen wir da noch ganz am Anfang der Gespräche.»

50 Jahre nach der ersten bemannten Mondlandung ist der Mond somit wieder erklärtes Ziel der Raumfahrt. Und die Berner Forschung wie damals mittendrin.

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