Empa entwickelt Unbedenklichkeitsanalysen ohne Tierversuche
Um die Unbedenklichkeit von synthetischen Nanomaterialien zu belegen, wollen die Empa-Forschenden künftig auf Tierversuche verzichten.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Empa arbeitet bei der Analyse der Unbedenklichkeit an Alternativen ohne Tierversuche.
- Synthetische Nanomaterialien sollen künftig anders getestet werden.
Synthetische Nanomaterialien sind die Substanzen der Stunde: Sie finden etwa Anwendung in der Kosmetik, der Textilindustrie und der Medizin. Ihre Unbedenklichkeit für Mensch und Umwelt hätte man früher mit Tierversuchen getestet. Die Empa arbeitet an Alternativen.
«Wir entwickeln derzeit einen neuen, integrativen Weg, mit dem die Risiken von Nanopartikeln analysiert und die Ökobilanzen ermittelt werden können.» Das sagt Empa-Forscherin Beatrice Salieri von der Abteilung «Technologie und Gesellschaft» in St. Gallen.
Forschende nutzen mathematische Modelle
Statt Tiere zu opfern, werden einzelne Zellarten im Reagenzglas beigezogen. Mathematische Vergleichsmodelle und Algorithmen sind weitere unblutige Alternativen.
Grundlage der Risikoanalysen sind die physikalisch-chemischen Eigenschaften von Nanopartikeln, deren biologische Auswirkungen, welche mit Zellkulturen experimentell bestimmt wurden. Die Forschenden nutzen mathematische Modelle («in silico»), die zum Beispiel auf die Schädlichkeit einer Vergleichssubstanz zurückgreifen. Dies, damit sich die Ergebnisse aus dem Reagenzglas («in vitro») auf die Situation im menschlichen Körper («in vivo») übertragen lassen.
Modellsystem für jede Expositionsart
Damit die Laborstudien für Nanopartikel aber auch aufschlussreich sind, muss für jede Expositionsart zunächst ein geeignetes Modellsystem entwickelt werden. «Substanzen, die inhaliert werden, untersuchen wir beispielsweise in Experimenten mit menschlichen Lungenzellen.»
Das erklärt Empa-Forscher Peter Wick, Leiter des Labors für «Particles-Biology Interactions» in St. Gallen. Um die Verdauung im Körper zu simulieren, werden hingegen Darmzellen verwendet.
Wechselwirkungen sollen künftig untersucht werden
Aus den gewonnenen Daten werden mithilfe komplexer Algorithmen die zu erwartenden biologischen Phänomene abgeschätzt. Es müsse kein Tierexperiment mehr dazwischengeschaltet werden. «Wir können anhand von Parallelitäten zu bekannten Substanzen, neuen Daten aus Laboranalysen und mathematischen Modellen die Risiken von Nanopartikeln ermitteln.» Das sagt Empa-Forscher Mathias Rösslein.
Künftig könnten so auch die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Nanopartikeln in menschlichen Körpern untersucht werden. Auch die Eigenschaften bestimmter Populationsgruppen, wie ältere Menschen oder Patienten mit mehreren Krankheiten, können realitätsnah dargestellt werden. Dieser Ansicht ist Rösslein.
Besondere Beachtung für Graphen
Im Fokus steht insbesondere Graphen (Betonung auf der zweiten Silbe). Dies ist eine noch wenig getestete Modellsubstanz, die in Superkondensatoren und Akkus, Wasserfilter, Destillatoren Anwendung finden könnte. Auch als Energiespeicher in Elektroautos Anwendung könnte sie dienen. Die Europäische Kommission hat 2013 mit der European Flagship Initiative beschlossen, die Graphen-Erforschung mit 1 Milliarde Euro zu fördern.
Risikoanalysen und Ökobilanzen für das neue «Wundermaterial» Graphen sind noch Mangelware. Erste Sicherheitsanalysen zu Graphen- und Graphen-verwandten Materialien konnten die Empa-Forscher nun unlängst in grundlegenden in vitro-Studien aufzeigen. «Auf diese Weise können nun auch Projekte wie Safegraph potenzielle Gesundheitsrisiken und Umweltfolgen von Graphen besser ermitteln. Und gleichzeitig die Zahl der Tierversuche senken», schreibt die Empa in einer Mitteilung vom Donnerstag.