Neues Behindertenkonzept verursacht höhere Kosten als erwartet
Wie die bernische Gesundheits- und Fürsorgedirektion (GEF) am Donnerstag mitteilte, entstünden für den Kanton Bern Zusatzkosten von 70 Mio. Franken pro Jahr.
Das neue Berner Behindertenkonzept, das der Kanton Bern 2016 vorerst versuchsweise einführte, verursacht höhere Kosten als erwartet. Das hat eine Zwischenanalyse aufgezeigt. Ohne grundlegende Änderungen am Modell kann dieses nicht kostenneutral eingeführt werden.
Wie die bernische Gesundheits- und Fürsorgedirektion (GEF) am Donnerstag mitteilte, entstünden für den Kanton Bern Zusatzkosten von 70 Mio. Franken pro Jahr, wenn das System wie usprünglich geplant eingeführt würde. Weitere acht bis zehn Mio. Franken fielen als Einführungskosten an.
Zudem wäre «im Investitionsbereich» mit Zusatzkosten von geschätzten 25 Mio. Franken zu rechnen.
Geld an Menschen statt Institutionen
Das neue Berner Behindertenkonzept will Behinderten ein möglichst selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Gemäss diesem Modell werden nicht mehr primär jene Institutionen unterstützt, welche Behinderte beschäftigen oder in denen sie wohnen.
Vielmehr will der Kanton künftig primär jedem Behinderten die Kosten für jene Leistungen bezahlen, welche er fürs Leben braucht. Er spricht denn auch von einem Wechsel zur «Subjektfinanzierung».
Das neue Konzept wurde 2011 vom Bund genehmigt. Er hatte zuvor von allen Kantonen verlangt, ein solches zu erarbeiten. Dies, nachdem wegen der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) die Verantwortung im Behindertenbereich auf die Kantone übergegangen war.
Verschiedene Anspruchsgruppen unter Federführung der GEF erarbeiteten nach 2011 das neue bernische Behindertenkonzept und vereinbarten, dass es im Vergleich zum bisherigen Modell kostenneutral ausfallen müsse.
Wie GEF-Sprecher Gundekar Giebel auf Anfrage sagte, geht der Kanton Bern mit einem Betrag von 230 Mio. Franken pro Jahr in die Kostenneutralitätsrechnung. An diesem Betrag seien die potenziellen Zusatzkosten von 70 Mio. Franken zu bemessen.
Der höhere Aufwand ergab sich während des Versuchsbetriebs für die Abklärung des Bedarfs und die Abrechnung der Leistungen. Zudem zeigte sich eine grosse Komplexität in Bezug auf die damit verbundenen Prozesse und Vorgaben. Am Versuch waren 550 Personen beteiligt, wie GEF-Sprecher Giebel sagte.
Umsetzung wird dennoch fortgesetzt
Trotz der Erkenntnisse aus der Zwischenanalyse hat die GEF entschieden, die Umsetzung des Behindertenkonzepts weiterzuführen. Menschen mit Beeinträchtigungen und deren Angehörige hätten sich positiv zu den grösseren Wahlmöglichkeiten geäussert, welche das neue Modell mit sich bringe.
Die Systemumstellung könne aber nur mit Anpassungen im Vergleich zum heutigen Pilotprojekt erfolgreich über die Bühne gehen. Zentral sei insbesondere die Entwicklung und Einführung eines wirksamen Steuerungskatalogs. Nur so lasse sich eine massive Kostensteigerung verhindern.
Das Konzept sei zudem insbesondere in Bezug auf den gesamten Prozess von der Leistungsbemessung, also der Bedarfsklärung, über den Leistungseinkauf bis hin zur Abrechnung zu vereinfachen.
Auf der Basis der Zwischenanalyse wird die GEF die Bearbeitung des Konzepts weiter vorantreiben und dem Regierungsrat die Änderungen zu gegebener Zeit wieder unterbreiten. Anschliessend wird der Gesetzesentwurf für die Ausrichtung der kantonalen Behindertenhilfe ausgearbeitet.
Die GEF geht davon aus, dass die gesetzlichen Grundlagen zur Umsetzung des Behindertenkonzepts nicht vor 2023 in Kraft treten können.