Schweizer Chiropraktor behandelt Säuglinge unter Vollnarkose

Nau forscht
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Zürich,

In der Schweiz werden Babys mit Schiefhals unter Narkose mit chiropraktischen Methoden behandelt. Das kritisieren US-Ärzte.

Chiropraktor und Säuglinge
In den allermeisten Fällen geschieht die Behandlung ohne Narkose. - Shutterstock

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein angeborener Schiefhals lässt sich bei Babys oft mit Übungen und Therapie behandeln.
  • Falls nicht, behandeln Schweizer Chiropraktiker Säuglinge teils unter Vollnarkose.
  • Nun gibt es Kritik aus den USA: Die Kleinen würden einem unnötigen Risiko ausgesetzt.

Kommt ein Kind mit einem Schiefhals auf die Welt, kann dieser auf verschiedene Arten behandelt werden: Unter anderem mittels Physiotherapie, Dehnübungen und Anweisungen an die Eltern, wie sie das Baby halten sollen.

Ein Chiropraktor in der Schweiz verwendet bei Säuglingen, bei denen diese Mittel keine Wirkung zeigen, in seltenen Fällen eine spezielle Methode: Er nimmt bei den Babys unter Narkose eine sogenannte Nackenmobilisation vor.

Dabei werden die Schultern des Kindes festgehalten, während der Kopf sanft nach oben gezogen wird. Ziel ist, dass sich eine Verklebung zwischen dem ersten und zweiten Wirbel löst.

Während das Vorgehen hierzulande bisher keine hohen Wellen schlug, rauchen im Ausland die Köpfe. Zwei Ärzte aus den USA werfen dem Chiropraktor in Online-Artikeln einen Verstoss gegen die medizinische Ethik vor.

«Das ist medizinische Kindsmisshandlung», schreibt etwa Clay Jones, der seit 15 Jahren als Kinderarzt in Boston tätig ist, im Portal «Science-Based Medicine».

Studie brachte die Praktik an die Öffentlichkeit

Jones sagt auf Anfrage: «Bei jedem Eingriff stellt sich die Frage: Überwiegen die Nutzen oder die Risiken?» Eine Narkose und die Strahlung eines Computertomographie-Scans, der in einigen Fällen nötig ist, seien zu grosse Risiken für eine solche Art von Therapie. «Es gibt keine Beweise für die Existenz von dieser Art von Schiefhals», so Jones.

Die internationale Medizin-Community wurde durch eine Studie aus Zürich auf das Thema aufmerksam, die Ende des letzten Jahres publiziert wurde. Darin werden sechs solche Eingriffe beschrieben. In allen Fällen geht es um den arthrogenen Schiefhals, der laut Studie durch verklebte Halswirbel ausgelöst wird.

Die Studienautorin Inga Paravicini wehrt sich: «Die ganze Kritik von Clay Jones baut auf der Behauptung auf, dass es den arthrogenen Schiefhals nicht gibt». Offensichtlich habe er sich fachlich nicht genügend mit der Methodik der Studie auseinandergesetzt.

«Ein professionelleres Verhalten wäre gewesen, wenn sich Jones mit uns in Kontakt gesetzt hätte, um zu erfahren, was wirklich hinter den Aussagen meiner Publikation, welche auf 25 Jahren Erfahrung beruht, steckt». Sie räumt aber ein: «In der wissenschaftlichen Literatur ist der Begriff noch wenig verbreitet.» Auf diesem Gebiet soll in der Schweiz noch Forschung betrieben werden.

Chiropraktik hat in der Schweiz einen guten Stand

Durchgeführt wurden die beschriebenen Eingriffe von Dr. Peter Kränzlin aus Winterthur. Laut der Studie behandelt er jährlich 400 Säuglinge mit Schiefhals, rund 10 davon unter Narkose. «Solche Eingriffe sind nur in seltenen Fällen nötig», sagt Kränzlin zu «higgs».

Etwa bei Säuglingen, die wegen Verdachts auf eine knöcherne Missbildung in den CT-Scanner müssen. Damit sie ruhig bleiben, werden sie dabei sowieso unter Narkose gesetzt. Falls er Fehlstellung der Wirbel feststellt, führt Kränzlin noch während derselben Narkose eine Nackenmobilisation durch.

Kränzlin gilt in der Schweiz als Fachmann für Schiefhälse. Mehrere grosse Spitäler geben besonders schwierige Fälle an ihn, wie sie auf Anfrage bestätigen.

Die Chiropraktik hat hierzulande generell einen guten Stand: Sie ist im Medizinbetrieb anerkannt und integriert, seit 2008 hat sie an der Universität Zürich einen eigenen Lehrstuhl.

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«Nau forscht»

Im Rahmen dieser Serie erscheint jeden Sonntag ein exklusiver Beitrag des Wissenschaftsmagazins «higgs».

Dieser Beitrag wurde verfasst von Roman Rey.

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