Universität Freiburg erforscht «sechsten Sinn»
Neurowissenschaftler der Universität Freiburg (Unifr) haben die Schlüsselrolle bestimmter Neuronen im somatosensorischen Rindenfeld bei der Wahrnehmung unserer eigenen Bewegungen aufgezeigt. Diese Ergebnisse wurden in der Zeitschrift Nature Communications veröffentlicht und könnten zur Entwicklung leistungsfähigerer Neuroprothesen dienen.
Das Wichtigste in Kürze
- Selbst in totaler Finsternis sind Alle in der Lage, eine Wasserflasche an die Lippen zu führen.
Diese Leistung macht eine Art sechster Sinn möglich: die Propriozeption, wie die Unifr am Donnerstag in einer Mitteilung schrieb.
Diese kontrollierte Bewegung ist nur dank spezieller Sensoren, den sogenannten Propriozeptoren, möglich, die sich in den Muskeln, Sehnen und Gelenken befinden. Diese Sensoren senden Informationen über die augenblickliche Lage der Gliedmasse an das Gehirn.
Das Team um Mario Prsa, Assistenzprofessor am Departement für Neuro- und Bewegungswissenschaften der Unifr wollte herausfinden, welche spezifischen Signale im Gehirn wahrgenommen und codiert werden, wenn das propriozeptive System aktiviert ist.
Hierzu untersuchten die Neurowissenschaftler das Verhalten von Mäusen, die darauf trainiert wurden, eine Wahrnehmungsaufgabe auszuführen. «Wir haben ein Robotersystem entwickelt, um gut quantifizierbare propriozeptive Reize an die Vordergliedmassen der Mäuse zu senden», lässt sich Doktorandin Irina Scheer in der Mitteilung zitieren.
Durch die Bewegung ihrer Glieder in verschiedene Richtungen habe das Team festgestellt, dass die Mäuse zwischen Bewegungen, die sich vom Körper weg und zum Körper hin bewegen, unterscheiden. Das Team konnte auch nachweisen, dass propriozeptive Signale von den Muskeln der Vordergliedmassen der Mäuse zur Hirnrinde hochlaufen, und identifizierte die Hirnrindenareale, die diese Reize verarbeiten.
In einer zweiten Experimentreihe verwendeten die Forschenden die Zwei-Photonen-Mikroskopie, um die Aktivität von hunderten von Nervenzellen in den zuvor identifizierten propriozeptiven Hirnrindenarealen sichtbar zu machen. «Wir haben beobachtet, dass diese Nervenzellen die Propriozeption der Gliedmassen eher in Bezug auf die Bewegungsrichtung als auf die Position im Raum oder Haltung codieren», sagte Ignacio Alonso, Doktorand und Co-Erstautor der Studie.
Allerdings würden nicht alle Richtungen gleich dargestellt werden, und erstaunlicherweise sei diese uneinheitliche Darstellung nicht entlang der Achse der Extremitäten, sondern vielmehr in Bezug auf die Körperachse angelegt. Diese Ergebnisse würden also nahelegen, dass Mäuse ihre Gliedmassen nicht als gebeugt oder gestreckt wahrnehmen, sondern vielmehr als auf ihren eigenen Körper zu oder von ihm wegbewegend.
Diese Arbeiten könnten zur Entwicklung leistungsfähigerer Neuroprothesen beitragen, die sensorische Signale an das Gehirn zurücksenden können, um die Propriozeption nachzuahmen. Sie könnten auch zu einem besseren Verständnis von Störungen der Propriozeption mit ihren oft seltsamen Ausprägungen beitragen und neue therapeutische Ansätze inspirieren, wie die Unifr schrieb.