Sprachforscher sammeln auf einer neuen Online-Plattform die Ursprünge von Orts- und Flurnamen in der Deutschschweiz.
Sucht man auf der Plattform für Ortsnamen nach der Endung «-schwend», so findet man die Orte, die auf hochmittelalterliche Rodungen zurückgehen. Die Daten aus dem Kanton Wallis sind noch nicht erfasst. Screenshot: ortsnamen.ch
Sucht man auf der Plattform für Ortsnamen nach der Endung «-schwend», so findet man die Orte, die auf hochmittelalterliche Rodungen zurückgehen. Die Daten aus dem Kanton Wallis sind noch nicht erfasst. Screenshot: ortsnamen.ch
Sucht man auf der Plattform Ortsnamen nach der Endung «-ingen», so findet man die Orte, die auf alemannische Sippen zurückgehen. Es sind allerdings auch einige unechte «-ingen» dabei, und die Daten aus dem Kanton Wallis sind noch nicht erfasst. Screenshot: ortsnamen.ch
Sucht man auf der Plattform Ortsnamen nach der Endung «-ingen», so findet man die Orte, die auf alemannische Sippen zurückgehen. Es sind allerdings auch einige unechte «-ingen» dabei, und die Daten aus dem Kanton Wallis sind noch nicht erfasst. Screenshot: ortsnamen.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Ortsnamen sind Fenster in die Geschichte der Besiedlung der Schweiz durch Kelten, Römer und Alemannen.
  • Ihre Herkunft und Bedeutung sind jetzt alle auf einer Plattform versammelt.
  • Dort kann man nach dem Ursprung merkwürdiger Ortsnamen stöbern.
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Scherz oder Hosenruck: In der Schweiz gibt es merkwürdige Siedlungsnamen. Meistens ist die ursprüngliche Bedeutung kaum noch erkennbar. So hat «Hosenruck» nichts mit einer verrückten Hose zu tun, sondern bezeichnet einen Berg mit der Form eines Hasenrückens. Scherz wiederum stammt vom keltischen Skarantia ab, was soviel wie bedeutet wie: wo es steinig ist.

 Als die Römer kamen

Auf einer interaktiven Karte können Forschende und Laien nach Orten stöbern, zum Beispiel nach solchen mit ähnlichen Endungen wie «-ingen». Da erscheinen dann Amsoldingen, Zofingen, Wettingen und viele mehr – ein Namenstyp, der hierzulande zwischen 600 und 800 n.Chr. mit der Einwanderung der Alemannen aufkommt. Zusammen mit dem Eigennamen bezeichnet das Suffix «-ingen» eine Sippe, so geht etwa Zofingen aus «Sippe des Zofo» hervor. «Die geographische Verteilung der Namen zeigt, wie sich die Alemannischen Sippen während der Völkerwanderung im Schweizer Mittelland und in den Voralpentälern niedergelassen haben», erklärt Hans Bickel. Ins wilde Bündnerland hingegen – auch das zeigt die Karte - wagten sich die Alemannen nicht.

Auf diese Weise können die Forschenden über bestimmte Zeitabschnitte und Regionen Muster entdecken, die ihnen ein Bild der Besiedelung der Schweiz geben. Eines der ältesten Muster bilden dabei die «-dunum»-Orte: Rund 20 Ortschaften in der Schweiz – beispielsweise Olten (Olodunum) oder Yverdon (Eburodunum) haben einen Namen, der ursprünglich auf  «-dunum» endete. Dieses Suffix bedeutet soviel wie Zaun oder «Burg mit Palisaden» und stammt aus der keltischen Sprache. Es ist also ein Hinweis auf die über 2000 Jahre alten keltischen Ursprünge dieser Orte. Die Namen helfen die Geschichte der Besiedlung zu verstehen, denn nicht in allen diesen Orten können Archäologen auch keltische Ruinen oder Fundstücke entdecken.

Ortsnamen sind Fenster in die Vergangenheit und weisen auf wichtige Entwicklungen hin, so zum Beispiel den Sieg der Römer über die keltischen Helvetier um die Zeitenwende. Die Romanisierung der Bevölkerung schlug sich in den Ortsnamen nieder: Die Endung «-acum» tritt nun bei vielen Neugründunge auf. Das Suffix steht für ein ein Landgut, das verdienten römischen Bürgern vom Imperium verliehen wurde. Das «-acum» ist heute als «-ach» noch bei vielen Ortsnamen wie Erlach oder Zurzach sichtbar. Ihre Verteilung zeigt die Durchdringung der Schweiz durch den römischen Verwaltungsapparat.

Im Schwändi wurde gerodet

Mit Hilfe der interaktiven Karte können Bickel und seine Kollegen auch spätere regionale Veränderungen sichtbar machen. Im Hochmittelalter beispielsweise gewannen die Menschen durch Rodung Siedlungsflächen, oder wie es damals hiess, durch «schwenden». Ortschaften mit «-schwand» oder «-schwändi» im Namen finden sich darum besonders häufig in den noch wenig erschossenen Voralpen und Alpen.

«Durch die aktuell rasante Veränderung unserer Natur- und Kulturlandschaft gehen viele alte Orts- und Flurnamen verloren», sagt Hans Bickel, «unsere Arbeit hat darum einen konservierenden Charakter.» Der Germanist und seine Kollegen sind ständig daran, neue Erkenntnisse aus der Namensforschung in die Online-Datenbank einzuspeisen. So kann jeder den Ursprung des Ortes erkunden, etwa in dem er aufgewachsen ist oder in dem er besonders gern zu Besuch ist. Und, wer weiss, vielleicht ungeahnte Ahnen und überraschende Geschichten hinter den teilweise komischen Namen entdecken.

Initiated by Gebert Rüf Stiftung

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