Profitiert die Gaming-Industrie von der Corona-Krise?
Das Coronavirus zwingt zahlreiche Menschen, zu Hause zu bleiben. Intuitiv ist damit klar: Die Gaming-Branche profitiert. Doch die Realität ist nuancierter.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Coronavirus zwingt zahlreiche Menschen, zu Hause zu bleiben.
- Onlinedienste und Multiplayer-Spiele verzeichnen in der Folge Nutzerrekorde.
- Aufgrund der Krise drohen jedoch Release-Verzögerungen und Lieferengpässe.
- Branchen-Messen und eSports-Events stehen vor dem Aus. Es drohen Millionenverluste.
Das Coronavirus grassiert – und die Wirtschaft steht Kopf: Seit Wochen hält die Covid-19-Pandemie die Welt auf Trab. Täglich kursieren Meldungen über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Virenausbruchs, die schlechten Nachrichten scheinen nicht abreissen zu wollen. So sehen sich zahlreiche Wirtschaftszweige angesichts der Krise mit herben Verlusten konfrontiert, unzählige Unternehmen fürchten um ihre Existenz.
Doch wie immer ist des einen Leid des andern Freud. In Zeiten, in denen das Leben vieler Menschen auf ihre eigenen vier Wände begrenzt ist, erleben «Home Entertainment»-Angebote wie Netflix einen enormen Aufschwung.
Onlinedienste und Multiplayer-Spiele verzeichnen Rekorde
Intuitiv scheint damit klar: Auch die Gaming-Industrie profitiert. Und tatsächlich regnet es für zahlreiche Online-Angebote zurzeit Nutzerrekorde.
So durfte sich etwa die Spielvertriebsplattform Steam am 15. März über ein Allzeithoch von 20 Millionen gleichzeitig aktiven Usern freuen, während der Multiplayer-Shooter Counter Strike: Global Offensive erstmals die 1-Millionen-Marke gleichzeitig aktiver Spieler knackte. Die Onlinedienste Xbox Live und Nintendo Online verzeichneten derweil so viele Zugriffe auf ihr Angebot, dass es zu kurzzeitigen Serverüberlastungen kam.
Gaming steht zurzeit also hoch im Kurs. Damit dürften auch Videospielverkäufe in den kommenden Monaten einen Anstieg verzeichnen. Die Kassen klingeln – doch überstanden ist die Krise damit noch lange nicht.
Erhöhte Wahrscheinlichkeit für Delays und Lieferengpässe
Denn während Publisher und Game-Entwickler kurzfristig auf mehr Einnahmen aus dem Videospiel-Segment hoffen dürfen, ist auf längere Sicht mit Einbussen zu rechnen. So sahen sich zahlreiche Studios gezwungen, auf den Homeoffice-Betrieb umzustellen. Das erschwert die Entwicklung neuer Games – und erhöht die Wahrscheinlichkeit eines Delays.
Davon betroffen ist etwa der Switch-Port von The Outer Worlds, welcher im Januar angekündigt wurde. Ursprünglich für den März angesetzt, musste der Release aufgrund des Coronavirus auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Andere Entwickler geben indes Entwarnung: Sowohl Cyberpunk 2077 als auch das Final Fantasy VII Remake sollen nach wie vor pünktlich erscheinen.
We’re delaying @OuterWorlds on Nintendo Switch due to the coronavirus impacting the Virtuos team working on the port, to provide them enough time to finish development. We’ll now be releasing the physical version on cartridge. Once we have a new launch date, we’ll let you know!
— Private Division (@PrivateDivision) February 6, 2020
Schwer von der Krise getroffen werden auch Konsolen-Hersteller. So legt der Covid-19-Ausbruch zurzeit zahlreiche Hardware-Produktionsstätten lahm. Die Folge: Die Produktion kann mit der Nachfrage nicht mehr mithalten, es kommt zu Lieferengpässen.
Bereits im Februar bestätigte beispielsweise Nintendo, dass es aufgrund des Coronavirus zu «unvermeidlichen» Engpässen bei der Lieferung der Nintendo Switch und gewissen Zubehör-Teilen kommen werde. Damals war lediglich der japanische Inlandmarkt von den Einschränkungen betroffen. Es ist jedoch zu erwarten, dass sich diese in den kommenden Monaten auch auf Europa und die USA ausweiten werden.
Bereits zum jetzigen Zeitpunkt wird zudem gemunkelt, dass sowohl die Xbox Series X als auch die PlayStation 5 ihren angepeilten Veröffentlichungszeitraum verpassen könnten. Beide Geräte sollen zum Weihnachtsgeschäft 2020 erscheinen. Die Nachfrage dürfte hoch sein, warten Fans beider Marken doch schon seit Jahren auf eine neue Konsolengeneration. Angesichts der Covid-19-Pandemie ist jedoch fraglich, ob das Angebot bis zum Release mit dieser mithalten kann.
Messen und eSports-Events kämpfen mit Unsicherheit und Absagen
Zu den Verlierern der Corona-Krise gehören auch die Gaming-Messen. So wurde mit der E3 eine der wichtigsten Branchen-Veranstaltungen des Jahres aufgrund des Virenausbruchs abgesagt. Die GDC – eine jährliche Konferenz für Videospielentwickler – wurde auf den August verschoben. Andere Events wie etwa die Gamescom kämpfen indes mit der Ungewissheit: Sollte unter diesen Umständen überhaupt noch auf eine Durchführung der Veranstaltung spekuliert werden?
Nicht nur die Messeveranstalter erleiden dabei Millionenverluste. Auch den Ausstellern – Publishern, Entwicklern und andere Branchenvertretern – reissen die Event-Absagen ein Loch ins Portemonnaie. Denn nicht nur das bisher investierte Geld geht dabei flöten: Auch die Einnahmen, die an den Veranstaltungen hätten generiert werden können, sind damit Geschichte.
Ähnlich sieht es auch für den eSports aus. Mehrere Ligen mussten bereits pausieren, viele mit Publikum geplanten Veranstaltungen abgesagt werden. Davon betroffen waren unter anderem die europäische und nordamerikanische Profiliga des eSports-Giganten League of Legends. Sowohl die LEC als auch die LCS wurden zeitweise ausgesetzt.
Doch ein Lichtblick bleibt: Denn in der Theorie steht der Corona-Lockdown dem eSports nicht im Wege. Übers Internet können nach wie vor Turniere abgehalten werden. Und das ist bereits geschehen: So wurden etwa nach der Absage der LEC kurzfristig Trainingsspiele organisiert, welche zeitweise bis zu 15'000 Zuschauer vor die Bildschirme lockten.
Alles in allem scheint damit klar: Während gewisse Teile der Gaming-Industrie vom Corona-Lockdown profitieren, wird die Branche im Ganzen dennoch hart getroffen.
Das Ausmass des Schadens ist indes schwer abzuschätzen. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt ist jedoch mit Millionenverlusten zu rechnen. Sollte die Krise noch mehrere Monate andauern, dürften damit auch die positiven Seiten die negativen nicht mehr ausgleichen können.