75 Prozent der Kinder-Notfall-Besuche sind «Bagatellen»

Carine Meier
Carine Meier

Baden,

75 Prozent der Notfallbesuche im Aargauer Kantonsspital sind sogenannte «Bagatellen». Statt ins Spital zu kommen, kann der Anruf bei einer Helpline ausreichen.

RSV
Die erste RSV-Infektion des Lebens ist meist die schwerste – und so einige Kinder führt sie ins Krankenhaus. - Marijan Murat/dpa/dpa-tmn

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Kinder-Notfallstationen der Schweiz sind wegen Grippe und RS-Virus am Anschlag.
  • In rund drei Viertel der Fälle wäre aber ein Notfallbesuch gar nicht nötig.
  • Medizinische Helplines verweisen weniger als 25 Prozent der Anrufenden an den Notfall.

Wegen der vielen Grippe- und RS-Fälle schlagen die Schweizer Spitäler und vor allem die Kinder-Notfallstationen Alarm. Zur Überlastung trägt aber auch stark bei, dass viele Eltern schon bei sogenannten Bagatellfällen den Notfall besuchen.

Das meldet unter anderem das Kantonsspital Baden (KSB). «Rund 75 Prozent der Behandlungen fallen im Kinder-Notfall in die Rubrik ‹Bagatelle›», heisst es in einer kürzlich erschienenen Mitteilung. Das heisst, es sind Dinge, die auch am nächsten Tag noch von einem Hausarzt oder zuhause hätten behandelt werden können.

Notfall
Wartende Eltern mit Kindern im Kantonsspital Baden. Am 26. Dezember verzeichnete der Notfall mit 355 Patienten einen neuen Rekord. - Kantonsspital Baden

Aber: «Die Erwartungshaltung vieler Eltern ist hoch», sagt Guido Laube, der Leiter der Klinik für Kinder und Jugendliche des KSB. «Sie erwarten rund um die Uhr einen schnellen Service.» Die Sorge um das eigene Kind kann dann sogar in Gewalt ausarten. Mehrere Kinder-Notfälle setzen daher inzwischen sogar Security-Personal ein.

Helpline schickt 24 Prozent der Patienten in den Notfall

Als Alternative zum sofortigen Notfall-Besuch appellieren viele Spitäler an die Eltern, zunächst ein Beratungstelefon anzurufen. Fast alle Deutschschweizer Kinderspitäler verweisen dabei auf die von Medgate betriebene «Kids Line».

Die kostenpflichtige medizinische Beratungstelefon wird rege genutzt. Wie die Spitäler verzeichnet man derzeit mit gut 1500 Anrufen pro Woche «sehr viele» Patienten, heisst es auf Anfrage. «Wir haben aktuell – wie alle im Gesundheitswesen – eine sehr hohe Nachfrage», so die Mediensprecherin Nadja Schwarz. Bei den meisten Anrufen gehe es um bakterielle oder virale Infekte sowie Magen-Darm-Beschwerden.

Helpline
Medgate kann rund 75 Prozent der anrufenden Eltern von einem Notfallbesuch abhalten. - Pexels

Etwas weniger als einem Viertel aller Anrufenden raten die pädiatrischen Pflegefachpersonen und Ärzte von Medgate, tatsächlich den Notfall aufzusuchen. Derzeit sind das pro Woche also ungefähr 360 Kinder und Jugendliche.

«Etwa die Hälfte der Fälle kann abschliessend telemedizinisch behandelt werden», erklärt Schwarz. Dies etwa mit Empfehlungen zu Medikamenten, Salben oder anderen Arten der Behandlung. Den verbleibenden 26 Prozent der Anrufer werde geraten, in naher Zukunft einen Hausarzt aufzusuchen.

Coronavirus - Schweiz
Ein Mitarbeiterin telefoniert in einem Callcenter von Medgate. (Symbolbild) - dpa

Ähnliche Zahlen hat der telefonische Notfalldienst Aerztefon im Kanton Zürich. Die Helpline ist nicht spezifisch für Kinder gedacht, jedoch waren 2022 circa 30 Prozent der Patienten Kinder.

Von insgesamt 43'662 Anrufen verwies das Aertzefon 11 Prozent, also 4'936 an den Notfall weiter. Über 70 Prozent wurde empfohlen, Zahnarzt, Hausarzt oder Apotheke aufzusuchen. Weitere 18 Prozent der Fälle konnten direkt am Telefon geklärt werden.

Haben Sie schon mal ein medizinisches Beratungstelefon genutzt?

Damit decken sich die Zahlen der Kinder, die nicht im Notfall behandelt werden müssen, in etwa mit denen des KSB. In über drei Viertel der Fälle können Eltern also mit dem Anruf beim Beratungstelefon Wartezeiten auf dem Notfall vermeiden.

Kommentare

User #1026 (nicht angemeldet)

Eine befreundete Kinderärztin erzählte mir aus ihrer Arbeit an einem Kispi, dass sehr viele Eltern heutzutage ihre Kinder nicht mehr richtig kennen und sie deshalb bei jedem Wehwehchen in den Notfall brächten. Es sei schlimm.

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