Affenpocken: Schweiz hinkt bei Impfstoffbeschaffung hinterher
Die Affenpocken-Fälle steigen exponentiell. Die Aids-Hilfe fordert nun die Impfung. Die Schweizer Behörden hinken bei der Beschaffung hinterher.
Das Wichtigste in Kürze
- In Europa sind bislang rund 2800 Fälle der Affenpocken registriert worden.
- Die EU hat bereits über 100'000 Pocken-Impfungen bestellt.
- In der Schweiz hinken die Behörden bei der Beschaffung hinterher.
Die Infektionen mit den Affenpocken nehmen auf der ganzen Welt zu. Seit Anfang Mai wurden mehrere Tausend Fälle entdeckt, rund 2800 allein in Europa. In der Schweiz hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) bislang 55 Fälle registriert.
Der Grossteil der Infektionen betrifft homo- und bisexuelle Männer. Bis das Affenpocken-Virus auch die breite Bevölkerung erreicht, ist es womöglich nur noch eine Frage der Zeit. Derzeit schätzt das BAG das Risiko für eine Ausbreitung aber als «moderat» ein.
Aids-Hilfe fordert Impfstoff
Andreas Lehner, Geschäftsführer der Aids-Hilfe Schweiz, fordert gegenüber der «NZZ am Sonntag» nun zum Handeln auf: «Die Schweiz sollte alle Hebel in Bewegung setzen, um betroffenen Communitys und exponierten Gesundheitsfachpersonen eine Impfung zu ermöglichen und Medikamente anbieten zu können.»
Immer mehr Risikopersonen würden sich laut Lehner überlegen, sich im europäischen Ausland impfen zu lassen. «Dies ist allerdings gar nicht so einfach, da es für den vollen Schutz insgesamt drei Impfungen über eineinhalb Monate braucht.»
Die EU hat bereits über 100'000 Pocken-Impfdosen vom Bavarian Nordic bestellt und will diese nun verteilen. In deutschen Bundesländer treffen dieser Tage die ersten Dosen ein. Und die Schweiz? Die bleibt aussen vor.
Zulassung in der Schweiz nicht geplant
Bei der Swissmedic ist bisher weder ein Zulassungsantrag für einen Impfstoff noch für ein Medikament gegen das Affenpocken-Virus eingegangen. Die Behörde selber kann dagegen nur wenig ausrichten. «Die Initiative muss von den Firmen selber kommen», so Swissmedic-Sprecher Lukas Jaggi.
Wie «NZZ am Sonntag»-Recherchen zeigen, hat der Bund in den letzten Wochen den Kontakt zu Bavarian Nordic gesucht. Das BAG bestätigt dies nicht direkt, schreibt aber: «Der Bund prüft die Möglichkeiten für den Import von Impfstoff und Arzneimitteln. Die Abklärungen laufen.»
Gegenüber der Zeitung äussert sich Bavarian Nordic erstmals zum Schweizer Markt. Die Zulassung eines Impfstoffs durch eine Heilmittelbehörde sei «ein langwieriger Prozess», so ein Sprecher der Biotech-Firma. Ein Zulassungsbegehren sei hierzulande gar nicht geplant.
Schweiz versuchs mit Hintertür
Das Heilmittelrecht lässt aber eine Hintertür offen. Kantone dürfen nicht zugelassene Arzneimittel direkt importiere, sofern diese von einer «vergleichbaren Heilmittelbehörde» im Ausland bereits zugelassen wurden.
Doch auch hier scheiterten die Behörden. «Weil die genannten Arzneimittel weltweit nur sehr schwer erhältlich sind, ist eine Beschaffung auf kantonaler Ebene zurzeit nicht möglich», schreibt die Zürcher Gesundheitsdirektion. Betroffene in der Schweiz müssen sich weiterhin gedulden.